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Die Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl von Bündnis 90/Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, beim Grünen-Bundesparteitag.

© Rainer Jensen/dpa

Parteitag der Grünen: Zurück in die Offensive

Die Umfragewerte sind schlecht, aber die Grünen möchten dennoch regieren. Auf ihrem Parteitag in Berlin berät die Partei über das Programm zur Bundestagswahl - mit dem sie Wähler zurückgewinnen will.

Der Parteitag hat noch gar nicht richtig angefangen, da bekommt Michael Kellner seinen ersten Wutausbruch. „Wir sammeln uns hier hinter unseren Spitzenkandidaten. Das wünsche ich mir von dieser Partei“, ruft der Bundesgeschäftsführer der Grünen. Die Basis habe das Spitzenduo schließlich in einer Urwahl gewählt. Eine klare Ansage an die Delegierten, die in Berlin an diesem Wochenende über das Programm für die Bundestagswahl beraten wollen. Und eine klare Ansage an Canan Bayram.

Die Grünen-Politikerin aus Friedrichshain-Kreuzberg hatte ihren Auftritt als Gastgeberin des Parteitags im Berliner Velodrom für eine gezielte Provokation genutzt. Eine langjährige Grünen-Wählerin habe ihr gesagt, die Spitzenkandidaten der Grünen sähen aus „wie Ortsvereinsvorsitzende der CDU“, sagt Bayram. Ein Eindruck, dem sie auf der Parteitagsbühne nicht widersprechen will.

Für die Grünen-Führung ist Bayrams Seitenhieb ein Affront. Denn von dem Parteitag an diesem Wochenende soll schließlich das Signal der Geschlossenheit ausgehen. Mit dem Beschluss ihres Wahlprogramms wollen die Grünen wieder in die Offensive kommen.

Doch die Mehrheit der Delegierten sieht es ohnehin anders als Bayram. Als Cem Özdemir wenig später seine politische Rede hält, bekommt er Standing Ovations. Es ist eine emotionale und kämpferische Rede, in der Özdemir Biographisches mit seinen politischen Forderungen verknüpft.

Özdemirs Kernpunkte

Die Kernpunkte des Parteichefs sind: ein klares Bekenntnis zu Europa („Ich will nie wieder, dass Menschen in der EU an Schlagbäumen gestoppt werden“), verbunden mit Kritik an der deutschen Europapolitik („Die Zeit der Arroganz und Überheblichkeit gegenüber unseren Partnern und Freunden in Europa muss vorbei sein“). Ein Plädoyer für mehr Klimaschutz („Wir schalten die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort ab“) und für einen Umstieg der deutschen Autoindustrie auf Elektromobilität bis zum Jahr 2030 („Wir bieten der Autoindustrie Verlässlichkeit und Planungssicherheit“).

Özdemir skizziert in seiner Rede, wie Integration in Deutschland gelingen kann („Wer anpackt für dieses Land, gehört für uns dazu. Egal, wo er herkommt, egal was er glaubt“) Er sagt aber auch, welcher Maßstab für ihn bei der Integration gilt („Im öffentlichen Raum gibt es nur eine einzige Rechtsauffassung: Da gilt das Grundgesetz“).

Der Parteichef macht außerdem deutlich, welche Erwartungen er an den Parteitag hat. Die Beschlüsse seien dann gut, wenn man sie auch im Anschluss noch gut erklären könne. „Die Leute sollen nicht das Gefühl haben, dass ihre Probleme zu normal für uns sind und dass sie zu normal für unsere Probleme sind“, mahnt Özdemir. Die Partei schreibe das Wahlprogramm nicht für sich selbst, sondern für die Wähler.

Er sei „begeistert“, lobt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wenig später. Özdemir habe mit seiner Rede „wirklich Orientierung“ gegeben. Auch für Göring-Eckardt findet er lobende Worte. „Wir haben mit Katrin und Cem zwei erfahrende und seriöse Spitzenkandidatin“, sagt Kretschmann. Mit dem Zehn-Punkte-Regierungsprogramm hätten sie „breite Geschlossenheit hergestellt und Führungsstärke bewiesen“. Kretschmann gehörte ebenso zu den Unterzeichnern dieses Papiers wie sein Widersacher Jürgen Trittin vom linken Parteiflügel und etliche andere Grünen-Promis. Am Sonntag soll es als Teil des Wahlprogramms beschlossen werden.

Die Grünen wollen regieren

Der 69-Jährige Kretschmann erklärt seinen Parteifreunden an diesem Abend aber auch, warum er die Grünen ab dem Herbst gerne in der Regierung sehen will. Der Kampf gegen den Klimawandel sei „keine grüne Spielwiese“, sondern „die zentrale Menschheitsfrage des 21. Jahrhunderts“. Dass US-Präsident Donald Trump den Pariser Weltklimavertrag aufgekündigt habe, sei ein „Akt völliger politischer Verantwortungslosigkeit“. Aber auch in Deutschland laufe es nicht gut in Sachen Klimaschutz. „Genau deshalb braucht es uns Grüne heute mehr als je zuvor“, sagt Kretschmann.

Dass die Grünen regieren wollen, betonen an diesem Abend auch etliche andere Redner – auch wenn sie wissen, dass es angesichts der derzeitigen Umfragewerte wohl kaum für die bisherige Wunschkoalition Rot-Grün reichen wird. Die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold macht ihrer Partei Mut, den Kurs der Eigenständigkeit weiter zu verfolgen. Heinold hat in Kiel in den letzten Wochen einen Koalitionsvertrag mit CDU und FDP verhandelt, den sie nun vor den Delegierten verteidigt. „Es wäre das Gegenteil von Eigenständigkeit, wenn wir immer dann in die Opposition gehen, wenn es mit der SPD nicht reicht“, sagt Heinold.

Unterstützung erhält sie von Göring-Eckardt. Sie sei stolz auf das, was die Grünen in Schleswig-Holstein ausgehandelt hätten, sagt die Bundestagsfraktionschefin. „Dieser Koalitionsvertrag trägt eindeutig eine grüne Handschrift.“

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