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Fahnen schwenken für den Staatschef. Anhänger der Regierungspartei AKP feiern Recep Tayyip Erdogan.

© dpa/ Emrah Gurel

Parteitag der türkischen AKP: Erdogan lässt sich zum Chef krönen

Fast 1000 Tage sind vergangen, seit der türkische Staatschef Erdogan nicht mehr Chef der Regierungspartei AKP ist. Das wird sich am Sonntag ändern.

Wenn die AKP ruft, wird geklotzt, nicht gekleckert. Allein 1500 Busse sind angeblich angemietet worden, um Delegierte und Anhänger der türkischen Regierungspartei am Sonntag zur größten Sporthalle von Ankara zu chauffieren. Und wenn dieser Sonderparteitag im Freien hätte stattfinden können, vorzugsweise auf der eigens für Großkundgebungen aufgeschütteten Fläche am Bosporus im Istanbuler Stadtteil Yenikapi, dann wären eine Million Gäste auch kein Problem.

Die AKP hat all das schon bewiesen. Dennoch will sich die konservativ-islamische Partei am Sonntag selbst übertreffen, wenn Recep Tayyip Erdogan nach knapp drei Jahren Pause wieder zum Vorsitzenden gewählt wird.

„Demokratie, Wandel, Reform“ versprechen die Plakate zum dritten Sonderparteitag in der noch jungen Geschichte von Erdogans AKP, vor allem aber eine „neue Periode des Schwungs“. Die haben Erdogan ebenso wie seine Partei auch nötig. Der nur knappe, noch dazu von Manipulationsvorwürfen belastete Sieg beim Verfassungsreferendum im Vormonat war eine kalte Dusche für die AKP. Erdogan wird mit seinem Präsidialregime gegen knapp 49 Prozent der Türken regieren, so lautet der Befund. In den drei größten Städten des Landes – Istanbul, Ankara und Izmir – haben der Staatschef und seine erfolgsverwöhnte Partei erstmals keine Mehrheit erhalten.

Botschaft der Versöhnung?

Der Volksentscheid vom 16. April zeigte, dass die Unterstützung für die AKP unter den gebildeten und urbanen Türken nun beschränkt ist, so rapportierte Abdülkadir Selvi, ein bestens vernetzter Kolumnist, aus dem Zentrum der Macht. Erdogans AKP habe der Öffentlichkeit schon lange nichts Neues angeboten.

Das soll ab Sonntag anders werden. Erdogan werde ein Manifest verkünden, so glauben manche zu wissen. Von einer „Wiederauferstehung“ schwärmte dieser Tage schon ein Schreiber der islamistischen Tageszeitung „Milat“, die im Präsidentenpalast wohl gelitten ist. Erwartet wird eine Botschaft der Versöhnung und der Rückkehr zu normaleren Verhältnissen.

Wieder ein Schlag gegen die Presse

Doch der Schlag der türkischen Justiz am Freitag gegen eine andere, sehr viel größere Zeitung könnte die Regie durcheinander bringen. Hausdurchsuchungen, drei Festnahmen und ein Haftbefehl für Burak Akbay, den angeblich flüchtigen Besitzer der nationalistischen Zeitung „Sözcü“, sind zum beherrschenden Gesprächsthema geworden.

„Sözcü“ ist neben „Cumhuriyet“ die andere wichtige regierungskritische Zeitung im Land. Der Chefredakteur und ein Dutzend Kolumnisten und Verlagsmanager von „Cumhuriyet“ sind bereits seit einem halben Jahr in Untersuchungshaft. Nun geht es auch gegen „Sözcü“. Das ebenfalls streng säkulare Blatt soll gemeinsame Sache mit dem Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen gemacht haben, behauptet die Staatsanwaltschaft.

Verfassungsänderung ebnet Weg für Erdogan

Erdogans Weg an die Spitze der von ihm 2001 gegründeten Partei für Justiz und Entwicklung (AKP) ist durch eine der Verfassungsänderungen möglich geworden, die beim Referendum angenommen worden waren. Die Aufhebung der bisherigen Pflicht zur Parteilosigkeit des türkischen Staatspräsidenten ist sofort wirksam geworden, anders als der Wechsel zum Präsidialsystem und die Entmachtung des Parlaments. Darauf muss Erdogan offiziell zumindest noch bis zu den nächsten gemeinsamen Wahlen von Parlament und Präsident warten, die für November 2019 vorgesehen sind.

Vorsitz und Parteimitgliedschaft hatte Erdogan aufgeben müssen, als er Mitte 2014 zum ersten Mal zum Staatschef gewählt wurde. Dass die Türkei ab Sonntag einen Präsidenten hat, der auch einer Partei vorsteht, ist für sich genommen nichts Neues. Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk führte als Präsident von 1923 bis zu seinem Tod 1938 auch die Republikanische Volkspartei (CHP) an; sein Nachfolger Ismet Inönü tat dies bis 1950.

Die Zeiten waren aber andere. Die Türkei war damals ein Einparteienstaat. Mustafa Kemal ließ sich als „Vater aller Türken“ feiern, Inönü erhielt den Titel „Chef der Nation“. Nun ist Tayyip Erdogan an der Reihe.

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