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Verneigung vor dem Nachfolger. Der frühere Präsident Bill Clinton hatte beim Parteitag der Demokraten einen umjubelten Auftritt. Amtsinhaber Barack Obama dankte ihm.

© AFP

Parteitag der US-Demokraten: Bill Clinton - Die Stunde des Kommunikators

Ex-Präsident Bill Clinton ist beliebter als je zuvor in seiner politischen Karriere. Auf dem Parteitag der Demokraten hält er eine fulminante Rede zur Verteidigung Barack Obamas – und legt damit die Latte für dessen Auftritt ziemlich hoch.

Er verführt die Menschen noch immer mit seinem Charme, seiner Ausstrahlung und seiner unverwechselbaren, leicht heiseren Stimme. Bill Clinton lenkte die mehreren tausend Delegierten in der Kongresshalle von Charleston in der Nacht zu Donnerstag nach Belieben und bekam schon nach wenigen Minuten Standing Ovations. Er warb, er argumentierte und hantierte mit Zahlen, er schmeichelte.

Vor allem aber begeisterte die Art, wie er sich mit den Republikanern auseinandersetzte: nicht als aggressiver Wadenbeißer, sondern als selbstbewusster Verteidiger einer gerechten Sache. „Ich mag die beiden Präsidenten Bush“, bekannte er zur Überraschung des Publikums. „Ich habe oft mit ihnen zusammengearbeitet.“ Sie seien gute Amerikaner. Er habe freilich ein paar politische Meinungsverschiedenheiten mit ihnen, schränkte Clinton ein.

Schon die Erwähnung der Bushs war ein in nette Worte verpackter Angriff. Die Republikaner haben es nicht gewagt, George W. Bush auf ihrem Parteitag vor einer Woche sprechen zu lassen. An seine Amtszeit wollen weder sie noch die übrigen Amerikaner erinnert werden. Clinton dagegen verkörpert die Erinnerung an die gute alte Zeit, als die Wirtschaft brummte, die Menschen Arbeit hatten und die Supermacht keine Kriege mit fragwürdigem Ausgang führte. Er ist jetzt beliebter als je zuvor in seiner politischen Karriere: 69 Prozent der Amerikaner haben eine gute Meinung von ihm.

Video: Bill Clinton begeistert für Obama:

Clinton hält eine fulminante Verteidigungsrede auf Barack Obama. Das ist umso beachtlicher, weil es gerade mal vier Jahre her ist, dass Obama und Hillary Clinton erbittert um die Präsidentschaftskandidatur kämpften – mit persönlichen Angriffen bis hin zum Verdacht, dass die Clintons an rassistische Vorurteile appellierten, um zu gewinnen. Doch nun ist Bill Clinton der beste Verteidiger, den sich der Amtsinhaber wünschen kann. Punkt um Punkt nimmt er die Wahlkampfslogans der Republikaner auseinander: Tatsachenverdrehungen seien das, wettert Clinton. Dies ist ein bemerkenswerter Kontrast zu Obamas Strategie. Der Präsident und seine Berater weichen den schwierigen Themen oft aus – Arbeitslosigkeit, die ungeliebte Gesundheitsreform, der fehlende Schuldenabbau. Sie wollen keinen Wahlkampf führen, der sich auf die Frage an die Bürger zuspitzt: Geht es euch besser oder schlechter als vor vier Jahren?

Sehen Sie hier die Bilder vom Nominierungsparteitag der US-Demokraten:

Clinton kennt da keine Scheu. Er führt vor, wie man auch diese Debatte gewinnen kann. Obama habe eine Wirtschaft im freien Fall übernommen und das Land vor dem Abgrund gerettet, erklärt er. Seine Gesundheitsreform koste nicht zusätzliches Geld, wie die Rechten behaupten, sondern sie spare Geld im Vergleich zum sicheren Kostenanstieg, den es ohne die Reform geben würde.

Als Clinton dies sagt, hängen die Delegierten fast wie Gläubige an seinen Lippen. Er erklärt, ordnet ein und erzählt, wie man die Lage sehen sollte – mit Bildern und Zahlen, die auch einfache Bürger verstehen. Dabei unterhält er das Publikum wie ein Kabarettist. Wenn er Mitt Romney, den republikanischen Kandidaten, und dessen Vize Paul Ryan reden höre, dann wisse er nicht, ob er lachen oder weinen solle. Da stimme doch fast gar nichts, zum Beispiel diese Behauptung, dass die Demokraten nichts von Wirtschaft verstehen. Er habe nachgeschaut: In den letzten 51 Jahren hatten die USA ungefähr je zur Hälfte republikanische und demokratische Präsidenten. Die Demokraten hätten 42 Millionen Jobs geschaffen, die Republikaner nur 24 Millionen. Auch unter Obama kämen seit 28 Monaten neue Jobs hinzu. Zuvor musste er erst mal die Krise stoppen.

"Geht es uns besser als vor vier Jahren?"

Clinton macht den Republikanern, die den Scherbenhaufen hinterlassen hätten, den Vorwurf, dass sie sich nun zu der Aussage verstiegen: Der Obama hat nicht schnell genug aufgeräumt, also lasst uns wieder ran! Ein befreites Lachen füllt die Arena. Geht es uns besser als vor vier Jahren?, stellt Clinton nun die Lieblingsfrage der Republikaner. Und aus dem Saal röhrt es zurück. „Ja!“

Clinton weiß: Es genügt nicht, die Delegierten zu überzeugen. Die eigentlichen Adressaten seines Werbens sind Millionen Wähler vor den Fernsehern im Land. „Wir haben ein Problem“, warnt er. „Viele Amerikaner fühlen noch nicht, dass die Lage sich bessert.“ Er kenne das, ihm ging es ebenso, 1995 war das, ein Jahr vor seiner Wiederwahl. Erst ein Jahr später spürten alle, dass es aufwärts geht.

Bildergalerie: Der US-Wahlkampf in Bildern:

„Jetzt hört mir mal genau zu: Kein Präsident, auch ich nicht, hätte unser Land in nur vier Jahren aus der Krise führen können“, beschwört Clinton sein Publikum. Obama habe die Zeit genutzt, um die Basis für die Gesundung zu legen. „Und wenn ihr seinen Vertrag verlängert, werdet ihr es spüren. Ich glaube daran, aus vollem Herzen.“

Natürlich hat Clinton seine Redezeit weit überzogen. Aber die TV-Sender übertragen weiter. Wer will sich schon diese Show entgehen lassen? Clinton gibt den Demokraten Stolz und Selbstsicherheit zurück. Als er nach 45 Minuten fertig ist, kommt Obama auf die Bühne, und die beiden ungleichen Männer umarmen sich lange. Clinton hat Obama geholfen, wie wohl kein anderer das kann. Aber er hat auch die Latte hoch gelegt für die Rede, mit der Obama in der Nacht zum Freitag die Kandidatur annehmen wollte.

Clinton hat ihn nominiert. Seine Rede ging in den „Roll Call“ über, in dem die Bundesstaaten einer nach dem anderen ihre Delegiertenstimmen abgeben.

Es gab auch Pannen an diesem zweiten Tag des Parteitreffens. Aus bisher unbekannten Gründen hatte die Programmkommission zwei Punkte aus dem Wahlprogramm entfernt, die auf Obamas Drängen nun wieder aufgenommen werden: das Bekenntnis, dass die Grundrechte von Gott gegeben sind, und die Nennung Jerusalems als Hauptstadt Israels. Berater fürchteten Angriffe der Republikaner, dass die Demokraten eine Partei der Gottlosen seien und Israel verraten. Eine Minderheit protestierte laut, als die Änderung im dritten Anlauf per Akklamation verabschiedet wird. Einige der Enttäuschten trugen T-Shirts mit der Aufschrift „Arabische Amerikaner“.

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