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Renate K.

© Wolff

Parteitag in Denver: Renate Künast: "Heute ist es noch politischer geworden"

Überraschend zügig haben die US-Demokraten am Mittwoch Abend Barack Obama zum Präsidentschaftskandidaten gekürt. Auch der ehemalige Präsident Bill Clinton gab sich auf dem Parteitag in Denver die Ehre. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast ist vor Ort und schildert für Tagesspiegel.de ihre Eindrücke.

Frau Künast, nachdem gestern schon Hillary Clinton auf dem Parteitag gesprochen hat, war nun also Gatte Bill an der Reihe. Wie haben Sie die Rede des Ex-Präsidenten erlebt?

Bill Clinton hat eine wirklich präsidiale Rede gehalten – hier wird man ja als ehemaliger Präsident ja auch weiterhin als "Mr. President" angesprochen – und er hat für mich vor allem zwei wichtige Sachen betont: Das eine ist, dass er zu den Delegierten gesagt hat: "Kämpft mit Hillary, mit Chelsea und mir zusammen für den Präsidenten Barack Obama." Das hat er sehr schnell und sehr klar betont.

Zweitens hat er auch zu allgemeinen politischen Fragen und dem Ansehen der USA einiges gesagt. Und dabei fällt einem hier sehr stark auf: Anders als George W. Bush und Angela Merkel mit ihrer gemeinsamen Grillfreundschaft oder viele andere Befürworter des Irak-Krieges immer vormachen, leiden die US-Bürger offensichtlich doch daran, dass sie in der Welt nicht angesehen werden und den Eindruck haben, dass andere mit ihnen nicht die Politik besprechen wollen. Bill Clinton hat jetzt ganz klar gesagt: "Wir brauchen die Macht unseres guten Beispiels – und nicht das Beispiel von unserer Macht".

Im Vorfeld war ja insbesondere von US-Medien gemutmaßt worden, dass es mit Clintons Sympathie für Obama nicht sehr weit her ist. Gab es denn einige versteckte Seitenhiebe oder war die Unterstützung für Obama unmissverständlich?

Im Vorfeld hatte man ja schon den Eindruck, dass die Demokraten selber kein Interesse daran hatten, Zweifel über die Loyalität von Clinton auszuschließen. Doch die Rede von Bill Clinton war richtig eindeutig, klar und unterstützend - das haben auch alle gespürt. Bei Bill Clinton wissen die Demokraten, was sie an ihm haben. Sie wissen, dass er zu seinen Worten steht und dafür kämpft. Am Ende der Rede gab es sozusagen eine "große Familie" für das gemeinsame Ziel – und genau genommen wundert es einen ja auch nicht, dass Bill Clinton will, dass ein Demokrat Präsident wird.

Auch Vize-Kandidat Biden war am Rednerpult. Konnte auch Obamas "Running Mate" überzeugen?

Joseph Biden ist so ein richtiger "Senior", also ein älterer, aber sehr rüstiger, gestandener Politiker und einer der bekanntesten Senatoren in den USA. Zum Parteitag hat Biden seinen wirklich riesigen Familienkreis mitgebracht und - er ist ja sogar schon Großvater - nachher noch seinen Zweijährigen Enkel mit auf die Bühne genommen.

Aber er hat nicht nur eine Rede gehalten, in der er sich als Vize-Kandidat den Delegierten vorstellt, sondern er hat auch ein paar wichtige Punkte angesprochen, bei denen er sagt: Das wird mit den Demokraten anders als bei McCain. Biden weiß, dass Arbeit zu haben etwas mit Würde zu tun hat. Deshalb will er mit Obama Arbeitsplätze schaffen. Zweitens soll es mit den Demokraten eine Steuerreform geben. Und zwar, so sagt Biden, nicht so eine Reform wie bei George W. Bush, der die Steuerreform ja so gemacht habe, dass sogar die Ölunternehmen - die ja vor lauter Einnahmen und Glück kaum wissen wo sie hin sollen - auch noch eine Steuerkürzung bekommen haben. Nein, so hat er betont, unter Barack Obama würde es so sein, dass endlich 95 Prozent der Bevölkerung steuerliche Erleichterung erfahren. Drittens hat er für die Energieunabhängigkeit und ganz massive Investitionen in erneuerbare Energien plädiert und gesagt: Damit werden wir in der nächsten Zeit in den USA fünf Millionen neue Jobs kreieren.

Hat sich Joe Biden denn auch als eine Art "McCain light" präsentiert, also als militärisch erfahrener Haudegen an Obamas Seite?

Immerhin ist Joseph Biden Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Senat, hat also lange, lange Erfahrung - auch was das militärische Wissen anbetrifft. Aber eigentlich spielt er sich so gar nicht auf. Er ist eher derjenige, der zeigt, dass die Demokraten zu ihrem Wort stehen und systematisch für Dinge kämpfen. Und falls irgendjemand versuchen sollte, dem Präsidentschaftskandidaten Barack Obama irgendwo "Jugendlichkeit" vorzuwerfen - dabei ist der Mann 46 –, dann steht hinter Obama jemand, der sich in der Vergangenheit durch qualitativ hochwertige Arbeit im Kongress ausgezeichnet hat.

Glauben Sie, dass die Demokraten in den vergangenen Tagen in der Gunst der amerikanischen Wähler punkten konnten?

Insgesamt waren die letzten drei Tage in Denver etwas ganz Besonderes: Gestern hat ja schon Hillary Clinton die Einheit der Demokraten beschworen und betont, wofür die Demokraten kämpfen. Heute ist es noch politischer geworden, nicht nur indem der hoch angesehene Bill Clinton seine Unterstützung verkündet und Joseph Biden Inhalte benannt hat. Im übrigen darf man John Kerry, den bei der letzten Präsidentschaftswahl ja leider gescheiterten Kandidaten, nicht vergessen. Er hat eine wirklich formidable, kämpferische Rede gehalten hat. Das war schon beeindruckend, denn Kerry hat ganz gnadenlos den "Präsidentschaftskandidaten McCain" dem "Senator McCain" gegenüber gestellt und damit am Beispiel von vielen Politikbereichen erklärt, dass McCain im Gegensatz zu dem was er als "Kandidat behauptet", im Verlauf der letzten Jahre im Kongress genau andersrum abgestimmt hat.

Beeindruckend war heute vor allem eine junge Soldatin, eine ganz aparte Frau, die nach einem Film über den Einsatz von US-Soldaten in Irak, Afghanistan und anderen Orten urplötzlich am Rednerpult stand und klar gesagt hat: Die Soldaten müssen Anspruch auf eine richtige Krankenversicherung haben. Die junge Soldatin hat nach ihrer Rede richtig starken Applaus bekommen, aber alle waren ganz still, als sie vom Rednerpult wegging – da hat man nämlich erkannt, dass sie beide Beine amputiert hat und auf Prothesen läuft. (jam)

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