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Das Spitzenduo der Grünen zur Europawahl: Rebecca Harms und Sven Giegold.

© dpa

Parteitag in Dresden: Harms und Giegold führen Grüne in Europawahlkampf

Die Online-Urwahl der Grünen hatte die eigentlich für selbstverständlich gehaltene Spitzenkandidatur von Rebecca Harms für die Europawahl in Frage gestellt. Beim Parteitag in Dresden setzte sich die 57-Jährige allerdings klar gegen Franziska Keller durch.

Die Spitzenkandidatur für die Europawahl hatte sie lange für selbstverständlich gehalten, doch nun muss Rebecca Harms kämpfen. „Ich bin weit über 30. Aber ich bin immer noch die Gorleben-Aktivistin. Und ich will immer noch die Welt verändern“, ruft die Grünen-Politikerin in ihrer Bewerbungsrede auf dem Parteitag in Dresden. Für die 57-jährige geht es bei dieser Wahl auch um ihre politische Zukunft: Kann Harms, die in den letzten Jahren Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament war, auch zukünftig in der ersten Reihe mitmischen?

Noch vor einigen Wochen hätte keiner geahnt, dass die europaweite Online-Urwahl („Green Primary“) auch die Aufstellung der deutschen Kandidatenliste so durcheinander bringen würde. Die Grünen rechneten fest damit, dass Harms die Partei wie bereits vor fünf Jahren in die Europawahlen führen würde, gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Europäischen Grünen und langjährigen Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Doch diese Pläne wurden durchkreuzt, nachdem vor knapp zwei Wochen die Europabgeordnete Franziska („Ska“) Keller in der Urwahl zur europaweiten Spitzenkandidaten der Grünen gekürt worden war. Die 32-jährige entschied sich nach ihrem Erfolg bei der Internet-Wahl, auf dem Parteitag gegen Harms anzutreten. Sie setzt vor allem auf ihre Jugend. „Neben mir werden Herr Schulz und Herr Juncker und Herr Verhofstedt auf jeden Fall alt aussehen“, verspricht die Politikerin, die aus dem brandenburgischen Guben nahe der polnischen Grenze stammt.

Harms lässt Europa lebendig werden

Doch Harms kann sich am Samstagnachmittag mit 65 Prozent der Stimmen deutlich gegen ihre Konkurrentin durchsetzen, die lediglich 34 Prozent erhält. Sie lässt Europa auf diesem ansonsten eher vor sich dahin plätschernden Parteitag auf einmal lebendig werden. Harms spricht über die unhaltbaren Zustände in europäischen Flüchtlingslagern. Und sie berichtet von ihren Besuchen in der Ukraine auf dem Maidan. „Die wissen, warum sie Europa in aller Unperfektheit wollen. Sie wollen nämlich Freiheit“, ruft Harms. Der Europäischen Union müsse es etwas wert sein, dass dieses größte Nachbarland Europas nicht in den Bürgerkrieg versinke. Vermutlich ist es die Mischung aus Erfahrung und einem kämpferischen, authentischen Auftritt, der am Ende zu dem deutlichen Votum für Harms führt. Ska Keller wird wenig später mit 85 Prozent auf den aussichtsreichen Listenplatz drei gewählt.

Mit der Wahl von Harms ist auf dem Parteitag auch die Vorentscheidung über den männlichen Spitzenkandidaten gefallen. Um den Posten hatten Bütikofer und der Attac-Mitbegründer Sven Giegold konkurriert, beide seit fünf Jahren Europaparlamentarier. Doch Bütikofer hatte bereits vor dem Parteitag angekündigt, zu verzichten, falls Harms auf Platz eins gewählt werde, um einer Erneuerung an der Spitze nicht im Wege zu stehen. Giegold wird auf Platz zwei mit knapp 92 Prozent der Stimmen gewählt, Bütikofer erhält mit 79 Prozent auf Platz vier ebenfalls ein ordentliches Ergebnis. Dabei hatte er sich bei seiner Vorstellung harte Fragen gefallen lassen müssen. Als Erfinder der „Green Primary“ war er in den vergangen Tagen verantwortlich gemacht worden für die magere Beteiligung an der Internet-Urwahl. Doch der 61-jährige verteidigt, dass er in Europa für die Primary gekämpft habe. „Wenn die Grünen nicht mehr die Partei sind, die Experimente mit Basisdemokratie machen, dann weiß ich nicht, wem wir die Fahne übergeben wollen.“

Grüne sprechen sich für ein anderes Krisenmanagement in Europa aus

Auf die Listenplätze fünf uns sechs wählten die Grünen die Europaabgeordneten Barbara Lochbihler und Jan Philipp Albrecht. Lochbihler war vor von 1999 bis 2009 Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International, im europäischen Parlament ist sie jetzt Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses. Der 31-jährige Grünen-Politiker Albrecht engagiert sich im Innenausschuss vor allem für das Thema Bürgerrechte. Auf Platz sieben setzte sich die Europaabgeordnete und frühere Bremer Kultursenatorin Helga Trüpel gegen die Kandidatin der Grünen Jugend, Terry Reintke, sowie die Fechterin Imke Duplitzer durch. Bisher sind die Grünen mit 14 Abgeordneten im Europaparlament vertreten, 2009 hatten sie 12,1 Prozent erhalten. Bei der Wahl am 25. Mai strebt die Ökopartei wieder ein zweistelliges Ergebnis an. Das wäre ein deutlicher Zuwachs nach dem enttäuschenden Ergebnis bei der letzten Bundestagswahl mit 8,4 Prozent.

Bereits am Vormittag hatten die Grünen ihr Programm für die Europawahlen beschlossen. Darin sprechen sie sich für ein anderes Krisenmanagement in Europa aus. Umstritten waren die Passagen zum Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA („TTIP“). Am Ende verständigten sich die Delegierten auf die Forderung, ein Aussetzen der Verhandlungen und einen kompletten Neustart zu fordern. „Wir Grüne werden keinem Abkommen zustimmen, das europäische Standards und Gesetze untergräbt“, heißt es in dem Beschluss. Nicht mehrheitsfähig war die Forderung, die Verhandlungen völlig zu stoppen. Manch ein Grüner nahm das mit Erleichterung auf. Eine Abgeordnete kommentiert: „Das zeigt, dass wir regierungsfähig bleiben.“

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