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© dpa

Parteitag: NRW: Grüne kommen in der Mitte an

Die Grünen freuen sich darüber, dass sie bei vielen Positionen in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Die guten Umfragezahlen werten sie als Beleg. Jetzt wollen sie die harten Oppositionsbänke zu verlassen, auf die sie vor fünf Jahren geschickt wurden.

Essen - Claudia Roth blieb nicht verborgen, was viele Vorredner ausgeklammert hatten: die Koalitionsfrage nämlich. Zwar wurde auf dem Essener Parteitag der nordrhein-westfälischen Grünen am Samstag gegen Schwarz-Gelb gewettert, wurde eine Jamaika-Koalition nach der Landtagswahl am 9. Mai genauso ausgeschlossen wie eine Tolerierung durch die Linke, der eine oder andere Redner warb sogar offen für Rot-Grün. Aber niemand setzte sich intensiv mit der augenblicklich wahrscheinlichsten Variante auseinander: mit Schwarz-Grün.

Claudia Roth entging das nicht. Die grüne Parteichefin schien die Gefahr zu erkennen: Wo alles möglich ist und selbst eine Zusammenarbeit mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) im Bereich des Möglichen liegt, könnten sich viele Wähler die Frage stellen, ob man mit der Stimme für die Grünen wirklich für einen Wechsel votiert. „Grüne Eigenständigkeit“, hält Roth dagegen, „heißt nicht Beliebigkeit“. Grüne seien für die Energiewende ohne Atom und Kohle, gegen Privat vor Staat – der Leitfaden von Rüttgers – und wollten die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich nicht hinnehmen. Ob das wirklich geht, mag im Moment niemand aus der grünen Führungsriege wirklich offen diskutieren.

Die Rede der Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann bot reichlich Anschauungsmaterial für diesen Spagat zwischen Wunsch und Realität. Solange es ausschließlich gegen Schwarz-Gelb geht, greift man gerne zu starken Worten. Die Liberalen werden schnell zu „Staatsfeinden“ erklärt, man wirft der CDU bei deren Atomkurs vor, dass nur das „Risiko sicher ist“, Rüttgers Schulpolitik wird als dessen „Achillesferse“ bezeichnet. Löhrmann betonte, „für eine Fortsetzung der Politik der letzten Jahre stehen wir nicht zur Verfügung“. Aber Schwarz-Grün mag sie genauso wenig ausschließen wir die vielen anderen Redner in Essen. Immerhin helfen die Umfragewerte, die Schlagzeilen über Schwarz-Grün in den Hintergrund zu drängen. Die Grünen sind im Aufwind, die Liberalen stürzen ab und die SPD erholt sich, so dass Rot-Grün nicht mehr völlig unrealistisch erscheint. „Und deshalb ist die SPD auch heute unser Wunschpartner“, sagte Löhrmann, die in der Vergangenheit mehr oder weniger offen damit kokettiert hatte, dass sie zu Rüttgers ein gutes Verhältnis habe.

Am Ende beschlossen die Grünen ihr Programm geräuschlos und freuten sich darüber, dass sie bei vielen Positionen in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Die guten Umfragezahlen werten sie als Beleg für diese Einschätzung, daraus leiten sie den Anspruch ab, die harten Oppositionsbänke zu verlassen, auf die sie vor fünf Jahren geschickt wurden. „Wir werden daraus eine vernünftige Regierung machen“, verspricht Reiner Priggen, der grüne Vordenker für die ökologische Wende der Wirtschaft. Und fügt hinzu: „Wie auch immer.“ Jürgen Zurheide

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