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Parteitag: Sogar die CDU-Flügelleute sind lahm

Die CDU-Basis hadert mit dem Zustand der Partei – die Vorsitzende Merkel aber wird nicht abserviert

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Berlin – Manchmal nennt er sich den „letzten Marktwirtschaftler in der CDU“. Josef Schlarmann sieht dann immer ein bisschen stolz aus und ein bisschen resigniert zugleich, und beides zu Recht. Denn der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT) stellt so etwas wie ein Fossil in der größten Regierungspartei dar: einer der ganz wenigen führenden Politiker, der noch völlig eindeutig einem der traditionellen Flügel zuzurechnen ist. Übermäßig wirkungsvoll ist sein Einsatz nicht. Das liegt auch an Schlarmann. Es liegt aber vor allem daran, dass die Christlich-Demokratische Union insgesamt flügellahm geworden ist.

In dem Befund sind sich die meisten übrigens einig. „Es gibt keine großen Flügelmänner mehr“, sagt ein CDU-Funktionär. „Der Sozialflügel existiert nicht, der Wirtschaftsflügel wird von Lobbyisten dominiert. Wir haben wachsweiche Ränder und ein diffuses Mittelfeld.“ Andere würden das freundlicher ausdrücken, aber kaum widersprechen. Wenn sich die CDU Anfang nächster Woche zum Parteitag trifft, wird der Befund auf dem Podium ja auch zu besichtigen sein. Drei der vier künftigen Stellvertreter der Parteivorsitzenden Angela Merkel gelten als Modernisierer – Ursula von der Leyen, Norbert Röttgen und Annette Schavan. Der vierte, Volker Bouffier aus Hessen, firmiert als Konservativer. Aber das sind eher vage Zuschreibungen, nicht vergleichbar mit früheren Flügelkämpfern wie dem Herz-Jesu-Sozialisten Norbert Blüm, dem schwarzen Sheriff Manfred Kanther oder dem Radikalreformer Friedrich Merz. In der zweiten Reihe und in den Ländern ist das Bild nicht anders. An der Basis empfinden viele den Zustand als Mangel. In den Regionalkonferenzen, die Merkel in den vergangenen Wochen absolviert hat, war der Ruf nach Profil unüberhörbar. In der „virtuellen Regionalkonferenz“ im Internet galten von den zehn häufigsten Anfragen die Top drei dem inneren Zustand der Partei.

Merkels Antworten schwanken zwischen Verteidigung und Angriff. Die Konservativen verweist sie auf Namen wie Bouffier oder Fraktionschef Volker Kauder. Den Frager, der wachsende Distanz zu den Wirtschaftsverbänden beklagte, beschied sie mit dem Satz: „Wir sind kein Lobbyverein.“ Und für den Empörten, der wissen wollte: „Merkt die Parteiführung eigentlich noch, was an der Basis los ist?“ zeigte sie Verständnis: Ja, sie wisse, dass die eigenen Anhänger ein Jahr lang „mit Kopfschütteln und großer Traurigkeit“ auf diese Koalition geschaut hätten.

Merkel stellt sich am kommenden Montag in Karlsruhe zur Wiederwahl. Ihr Ergebnis, sagen viele voraus, werde nicht sozialistisch ausfallen, aber auch nicht richtig schlecht. Dafür sei die CDU vor einem wichtigen Landtagswahljahr dann doch zu vernünftig. Außerdem dürfte Merkels Rede so christdemokratisch klingen wie nie. Der Versuch, die eigenen Truppen nach den schwarz-gelben Chaosmonaten zu beruhigen, ist bis in die Parteitagsregie hinein erkennbar. Eine Debatte über Präimplantationsdiagnostik (PID) wollte die Führung ursprünglich verhindern – nun ist für das konservative Herzensthema viel Zeit eingeplant, und die Antragskommission empfiehlt, der Fraktion ein Verbot der umstrittenen Diagnosetechnik nahezulegen.

Schlarmanns Anträge hat die gleiche Kommission zur Ablehnung empfohlen. Das hat den Chefmittelständler neulich zu einem öffentlichen Zornesausbruch getrieben. Aber das Votum in der Kommission gegen rund 30 MIT-Anträge war nicht gesteuert, sondern eindeutig – Schlarmanns Vize stand allein gegen alle.

Das lag zum Teil an Ton und Inhalt. Keine Partei, die noch halbwegs bei Trost ist, bescheinigt sich selber eine Strategie der „Wählereinschläferung“ beim Wahlkampf 2009 oder schafft mal eben unter dem empörten Kampfruf „Der Staat hat sich endlich auf seine Kernaufgaben zu beschränken!“ das Elterngeld ab. Die Ablehnung hängt aber auch mit der Statur derer zusammen, die solche Forderungen erheben. Schlarmann ist selbst in den eigenen Reihen umstritten. Dass der Wirtschaftsjurist aus Niedersachsen nicht mal unter den Mittelständlern in der Unionsfraktion auf Unterstützung bauen kann, trägt zur Schwäche dieses Flügels bei.

Eine Änderung ist indes so schnell nicht absehbar. Denn dass Merkel Flügelleute nicht gefördert habe, sei ja richtig, sagt einer, der seiner Chefin ziemlich kritisch gegenübersteht. Doch selbst der fügt gleich hinzu: „Aber viel, was sich zu fördern lohnte, ist da auch nicht.“

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