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Politik: Patriotischer Akt

In den USA regt sich Widerstand gegen die Sicherheitsgesetze der Regierung Bush

Was ist ein „gewaltfreier Präventivschlag“? Der Begriff ist einprägsam. Geprägt wurde er in Arcata, einer kleinen Stadt im Norden Kaliforniens mit 16 000 Einwohnern. Arcata ist eine Art amerikanisches Gorleben, ein Ort des permanenten Widerstands. Hier sind Resolutionen gegen die Erderwärmung verfasst worden und gegen den Irak-Krieg. Im vorigen Monat kam eine weitere hinzu: Darin werden Polizei und Stadtangestellte aufgefordert, sich bestimmten Passagen aus dem „Patriot Act“ zu verweigern. Der „Patriot Act“ ist ein Bundesgesetz. Es wurde wenige Wochen nach dem 11. September 2001 hastig vom US-Kongress verabschiedet und weitet die Befugnisse der Sicherheitsorgane aus, US-Bürger und Amerika-Besucher zu überwachen.

Doch Arcata ging noch einen Schritt weiter. Zusätzlich verabschiedete es als erste Stadt in den USA eine Verordnung, die die Befolgung des „Patriot Act“ unter Strafe stellt. Damit hat es sich an die Spitze des landesweiten Protests gestellt. „Das ist ein gewaltfreier Präventivschlag gegen die Allmacht des Staates“, sagt David Meserve, der Initiator. Überall in Amerika werden dieser Tage „Bündnisse zur Verteidigung der Bürgerrechte“ geschlossen. Bereits 89 Städte haben Resolutionen gegen den „Patriot Act“ verabschiedet, Hawaii will dies als erster Bundesstaat tun.

Mehr und mehr Bürger sind alarmiert, denn im US-Justizministerium wird bereits am „Patriot Act II“ gearbeitet. Ein 83-seitiger Entwurf kursiert seit Februar im Internet. Darin drohen Amerikanern, die eine von der Regierung als terroristisch bezeichnete Gruppe unterstützen, der Entzug der Staatsbürgerschaft und die Abschiebung ins Ausland. Außerdem sollen sie heimlich festgenommen und in Haft gehalten werden können, selbst Angehörige müssen nicht informiert werden. Auch der Aufbau einer nationalen DNA-Datenbank für Terrorverdächtige gehört zu den Plänen von Justizminister John Ashcroft. Der freilich wiegelt ab. Entschieden sei noch gar nichts. Die Vorsicht ist gut begründet. Zwei seiner Vorhaben sind bereits an öffentlicher Empörung gescheitert: das so genannte Tips-Programm („terrorism information and prevention system“), mit dem die Regierung Tausende von Spitzeln rekrutieren wollte, um Nachbarn und Verwandte auszuspionieren, sowie die TIA-Initiative („total information awareness“), mit der das Internet kontrolliert werden sollte.

So sind die Bürgerrechte seit dem 11. September einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt. Das Abhören von Telefonen wurde erleichtert, die Rechte der Verteidigung eingeschränkt, Einwanderungsverfahren zur Geheimsache erklärt, die unbegrenzte Haft wichtiger Zeugen zugelassen. Unmittelbar nach den Terroranschlägen wurden mehr als tausend arabischstämmige Einwanderer verhaftet und wochenlang in Untersuchungshaft gesteckt – ohne konkrete Anklage und teils ohne Rechtsbeistand.

Nach Überzeugung der Bush-Regierung rechtfertigt ihr Pauschalverdacht alle drakonischen Maßnahmen. Ungefähr 130 000 männliche Einwanderer aus muslimischen Ländern mussten sich neu registrieren lassen. Auf dem US-Stützpunkt Guantanamo halten die USA immer noch 664 Männer aus 42 Ländern fest, ohne Anklage und ohne Verfahren. Bislang gab es 25 Selbstmordversuche, etwa fünf Prozent der Inhaftierten bekommen Antidepressiva. Unter den Gefangenen sollen auch Jugendliche sein. Selbst US-Bürger sind vor der Willkür ihrer Justiz nicht gefeit. Seit knapp einem Jahr sitzt Jose Padilla in Haft. Er wird verdächtigt, einen Anschlag mit einer „schmutzigen Bombe“ geplant zu haben. Ebenfalls ohne Anklage festgehalten wird der amerikanische Staatsangehörige Yasser Esam Hamdi. Weder Padilla noch Hamdi durften je ihre Anwälte sehen.

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