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Politik: PDS nicht zum Märtyrer machen

Von Richard Schröder

Ist das ein OstWest-Konflikt?“, hat mich ein Journalist gefragt, als Lothar Bisky dreimal die Wahl zum Vizepräsidenten des Bundestages verfehlt hat. So ein Quatsch. Es gibt ostdeutsche Abgeordnete, die ihn nicht wählen wollen, und westdeutsche, die ihn wählen wollen. Es ist eher ein posttotalitärer Konflikt. Die Linkspartei hat ein Doppelgesicht. Die einen sehen in ihr die SED, von der sie sich, rechtlich gesehen, bloß durch zwei Umbenennungen unterscheidet. Denn den Antrag auf Selbstauflösung hat der Parteitag im Dezember 1989 abgelehnt. Gregor Gysi hatte unter Ausschluss der Öffentlichkeit erklärt: Dann verlieren wir unser Milliardenvermögen. Andere kommunistische Parteien haben sich aufgelöst und Platz gemacht für Neugründungen. Sie haben sich sortiert. Aber das ist endgültig verpasst und ist nicht mehr zu ändern.

Die Linkspartei selbst versteht sich als ganz was Neues. Und von der Programmatik der SED hat sie sich tatsächlich gelöst. In ihrem letzten Wahlprogramm kam das Wort Sozialismus gar nicht mehr vor. Ob ihre Mitglieder überwiegend demokratisch gesonnen sind, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist sie eine Partei in der Demokratie, deren Abgeordnete sich an die demokratischen Spielregeln halten und nicht den Umsturz vorbereiten.

Bei der Konstitution der Volkskammer gab es ein ähnliches Problem. Die PDS wollte Hans Modrow, den vorigen Ministerpräsidenten, ins Präsidium schicken, aber den wollte die Mehrheit dort nicht sehen. Sie sah in ihm nicht mehr den Reformer, sondern den Repräsentanten der SED-DDR. Deshalb wurde festgelegt, dass jede Partei zwei Kandidaten nominiert – nur um Modrow abwählen zu können. Gefallen hat mir das nicht so recht. Jetzt kommt so etwas ohnehin nicht in Frage, weil man nicht während des Wahlvorgangs den Modus ändern kann. Wenn bisher jede Fraktion ihren Vizepräsidenten nominiert hat und der dann auch von den anderen gewählt worden ist, ist es schlechter Stil, für eine einzige Partei eine Ausnahme zu machen. Die Abgeordneten der PDS sind zweifellos demokratisch korrekt gewählte Volksvertreter.

Zwar ist es auch ungewöhnlich und nicht der beste Stil, dass eine Partei ihren Vorsitzenden ins Präsidium schickt. Aber gerade diejenigen, die die Linkspartei-PDS nicht mögen, frage ich, warum sie ihr dann den Märtyrerstatus auf silbernem Tablett darreichen wollen. Sie punktet doch mit der Opferrolle. Das passt zu ihrem angemaßten Anspruch, die einzige Stimme der Entrechteten zu sein.

Dass Lothar Bisky als Person nicht wählbar sei, kann ich nicht akzeptieren. Er war ein überzeugter SED-Genosse, den aber die SED nicht immer gut behandelt hat. Er hat sich für seine Studenten eingesetzt, wenn die Ärger mit dem Herrschaftsapparat bekamen. Wer meint, er könne ihn dennoch nicht wählen, kann das auch durch Stimmenthaltung zum Ausdruck bringen.

Richard Schröder ist Professor für Theologie an der Humboldt-Universität.

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