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Erst einmal wieder offline. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück muss sich einen neuen Berater für den digitalen Wahlkampf suchen. Foto: Christian Charisius/dpa

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Peer Steinbrück: Falsch beraten

Peer Steinbrücks Online-Experte arbeitete früher für Investmentfonds – nach massiver Kritik gibt er auf.

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Für einen Online-Experten ist es ein Hauch von Nichts: Etwa 150 Tweets hat Roman Maria Koidl auf Twitter nur abgesetzt und keine 30 Follower gesammelt. Zum Vergleich: Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, hat es schon auf über 15 000 Tweets geschafft. Trotzdem sollte der Österreicher dem designierten SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück als Online-Berater zur Seite stehen. Doch nach nur wenigen Tagen hat er sich zurückgezogen – oder besser: zurückziehen lassen.

„Mit sofortiger Wirkung ziehe ich mich aus der Rolle des Beraters Online für die Wahlkampfkampagne von Peer Steinbrück im Herbst 2013 zurück. Ich kann nicht vertreten, dass falsche und ehrverletzende Berichterstattung gegen mich eingesetzt wird, die darauf zielt, den Kandidaten Peer Steinbrück zu beschädigen“, heißt es in Koidls Stellungnahme. Ein Vertrag sei noch nicht unterzeichnet worden, was von der SPD bestätigt wird. Koidl bezieht sich auf Berichte über seine berufliche Vergangenheit. Er war Berater der Investmentfonds Cerberus Global Investors sowie Investment Fund Värde Partners Europe. Beide gehören zu den Hedgefonds, die die SPD seit Jahren scharf kritisiert. Ex-SPD-Chef Franz Müntefering bezeichnete sie sogar als „Heuschrecken“.

Nur dürfte es weniger die Tatsache gewesen sein, dass Koidls Vergangenheit überhaupt öffentlich wurde, die ihn zum Rücktritt bewogen hat. Vielmehr dürfte der Ärger führender Sozialdemokraten maßgeblich gewesen sein. Denn dort kam die Personalie aufgrund der beruflichen Vita nicht gut an. Von „Fehlgriff“ und „missglücktem Manöver“ ist die Rede. Der SPD-Linke Ralf Stegner sagte dem Tagesspiegel: „Man sollte den Vorgang nicht überbewerten, aber ein Beispiel für einen gelungenen Start ist das alles nicht.“ Allerdings müsse man nicht in den ersten zehn Minuten eines Fußballspiels stark sein, sondern am Ende.

Kennengelernt haben sich Steinbrück und Koidl dem Vernehmen nach über den Verlag Hoffmann und Campe, in dem sie ihre Bücher veröffentlicht haben. Einen genauen Blick auf die Vita des neuen Mannes warf im Steinbrück-Team offenbar niemand. Er hatte im Willy-Brandt-Haus bereits ein Büro bezogen.

Die Grünen wollten sich dazu nicht äußern – im Gegensatz zur Linkspartei. „Für Steinbrück wird es schwer. Er hat weder Glaubwürdigkeit noch eine Machtoption. Viele zweifeln daran, ob seine Lernkurve nach oben zeigt. Mit seinen Personalentscheidungen stellt er sich immer wieder in die Nähe der Wirtschaftslobby“, sagte Linken-Chef Bernd Riexinger dem Tagesspiegel. Auch die Personalie Donnermeyer passe da ins Bild. Steinbrück hat den Berliner Ex-Senatssprecher Michael Donnermeyer als seinen Sprecher engagiert. „Ein Kohlelobbyist als Wahlkampfchef ist sicher schwer zu vermitteln, wenn es um die Energiewende geht. Donnermeyer hat sich in den letzten Jahren vor allem damit beschäftigt, den Energieriesen die Kohle zu retten, und wollte den Menschen weismachen, dass es gut ist, wenn bei ihnen Giftgas in die Erde gepumpt wird“, sagte Riexinger. Donnermeyer war Geschäftsführer des Informationszentrums Klima, das sich als Kommunikationsplattform großer Energiekonzerne wie RWE, Eon und Vattenfall für die Verbreitung der CCS-Technik einsetzt, der Abscheidung und unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid. Donnermeyer wies die Vorwürfe als „völlig platt“ zurück. „CCS ist eine Klimaschutztechnologie und bewegt sich auf Beschlusslinie der SPD“, sagte er.

Wegen einer anderen Personalie muss Steinbrück nicht mit Widerstand rechnen. Als Redenschreiber konnte er einen Mitarbeiter gewinnen, der für dezidiert linke Organisationen tätig ist. Der 1962 geborene Markus Franz war Hauptstadtkorrespondent der linksalternativen „taz“, Pressesprecher des DGB und Sozialattaché der deutschen Botschaft in Washington. Zuletzt war er Redenschreiber von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles.

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