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Harald Martenstein.

© picture alliance / dpa

Pegida, Nazi-Vergleiche und die Debatte um Flüchtlinge: Cool bleiben, um die Verrohung im Land zu stoppen

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi nennt Pegida-Gründer Lutz Bachmann wegen seines Nazi-Vergleichs einen „wahnsinnigen Faschisten“. Besser wäre es, die Fassung zu wahren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Martenstein

Ein Kollege schreibt für den „Spiegel“, er habe den Eindruck, dass Deutschland zur Zeit verrohe. Das ist zweifellos richtig. Seit dem Beginn der Flüchtlingskrise ist nicht nur die Gewaltbereitschaft gestiegen, auch der Ton der politischen Auseinandersetzung wird immer bösartiger, vor allen auf der Rechten, aber nicht nur dort.

Jetzt hat der Pegida-Gründer Lutz Bachmann den Justizminister Heiko Maas in die Nähe des Nazis Joseph Goebbels gerückt. Diese Aussage wirkt, verglichen mit anderen Herabsetzungen und Drohungen, die aus dieser Ecke schon gekommen sind, geradezu harmlos. Nazivergleiche gehören nämlich seit Jahrzehnten zum Kernbestand der deutschen Debattenkultur. Helmut Kohl hat seinen späteren Freund Gorbatschow mit Goebbels verglichen, Heiner Geißler hat die Friedensbewegung mit den Nazis verglichen, die SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin hat US-Präsident Bush mit Hitler verglichen, ein Fauxpas, der sie das Amt kostete. Es gibt viele andere Beispiele. Bachmann war also selten so nah beim politischen Mainstream wie in dem Moment, als er zu der bewährten politischen Nahkampfwaffe des Nazivergleichs griff.

Wenn man die Verrohung bremsen will, muss man versuchen, selber cool zu bleiben. Nun hat die SPD-Generalsekretärin Fahimi im Gegenzug Bachmann als einen „wahnsinnigen Faschisten“ bezeichnet. Sie dreht die Schraube also noch ein bisschen weiter. Geisteskrankheit als Schimpfwort? Darüber werden sich die Menschen mit mentalen Problemen sicher nicht freuen. Faschist? Bachmann hat Maas mit Goebbels verglichen, aber er hat ihn immerhin nicht direkt einen Nazi genannt.

Wird Pegida in Zukunft stilbildend sein?

Wer diesen Leuten entgegentritt, sollte bewusst eine andere Sprache benutzen als sie. In der aufgeheizten Stimmung, die zur Zeit in der Bevölkerung herrscht, und zwar auf allen Seiten, wäre es ganz angenehm, wenn wenigstens die Politikprofis die Fassung behalten. Soll so die künftige Debattenkultur in Deutschland aussehen? Ist das die sogenannte Leitkultur? Auf eine aggressive Äußerung mit einer noch aggressiveren Äußerung zu antworten, ist das der richtige Weg? Wird Pegida in Zukunft stilbildend sein für die Art, wie wir miteinander diskutieren?

Und es muss ja diskutiert werden. In der Flüchtlingsfrage gibt es verschiedene Meinungen, und nicht nur eine einzige ist legitim. Wenn die Umfragen stimmen, dann ist zur Zeit eine Mehrheit der Bevölkerung anderer Ansicht als die meisten Politiker und als die meisten Medien. Diese Leute, sehr viele, fühlen sich nicht repräsentiert, machtlos, an den Rand gedrückt, und das ist in einem Staat immer eine gefährliche Situation. Beschimpfungen beschleunigen die Verrohung.

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