zum Hauptinhalt
Autos

© dpa

Pendlerpauschale: Private Fahrten, volle Kassen

Am heutigen Dienstag verkündet das Verfassungsgericht sein Urteil zur Pendlerpauschale. Egal wie es aussieht - es wird hohe Wellen schlagen.

Von Robert Birnbaum

Unter den Obergerichten der Republik gilt der Bundesfinanzhof (BFH) als recht dröge Einrichtung. Der Beschluss allerdings, den das Gericht Anfang des Jahres zur aktuellen Pendlerpauschale verfasste, enthält geradezu sarkastische Passagen. Besonders angetan hatte es dem BFH das Wörtchen „Wie“. Das Wort, fanden die Richter in der Ismaninger Straße in München, tauge sehr gut dazu, die Bundesregierung als Trickser zu entlarven. In ihrem Beschluss steht das höflicher, an ihrem Beschluss änderte die Höflichkeit nichts: Verfassungswidrig, also ein Fall fürs Bundesverfassungsgericht.

Das wird an diesem Dienstagvormittag sein Urteil verkünden – und damit, gleich wie es ausgeht, hohe Wellen schlagen. Seit die CSU die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale zum Wahlkampfhit erwählt, aber CDU-Chefin Angela Merkel jede Unterstützung verweigert hatte, liegt die politische Anklageschrift in München abrufbereit in der Schublade. So aufgeladen ist der Vorgang, dass sich der Vizepräsident des Verfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, schon vorab zur Klarstellung genötigt sah: „Wir entscheiden nicht, ob die alte Pendlerpauschale wieder eingeführt werden muss oder soll.“

Für den Juristen geht es mehr ums Grundsätzliche. Als die große Koalition 2007 die Pendlerpauschale neu regelte, traf sie zugleich eine Grundsatzentscheidung. Wohnen, lautete die leicht verkürzt, ist Privatsache, Arbeit beginnt hinterm Werkstor; den Weg dazwischen ordnete der Gesetzgeber kurzerhand komplett dem Privaten zu. Diese Sichtweise spülte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) 2,5 Milliarden Euro mehr in die Kasse. Dass dies der Grund für die neue Sicht war, steht in der Gesetzesbegründung sogar ausdrücklich nachzulesen.

Inkonsequenz macht Grundsatzentscheidung angreifbar

Zum Verhängnis könnte es der Koalition nun ausgerechnet werden, dass sie Fernpendlern dann aber doch weiter eine Pauschale zugestand. Da kommt das Wörtchen „Wie“ ins Spiel. Der Aufwand für Fahrten über 20 Kilometer, heißt es nämlich in der Begründung des Gesetzes, sei „wie Werbungskosten“ zu behandeln, obwohl man sie grundsätzlich ja gerade nicht mehr dazu zählen wolle. Die Unterscheidung, fand schon der BFH, sei bloß „terminologischer Natur“, zu Deutsch: Geschwafel. Was wie Werbungskosten behandelt werde, seien auch welche. Dies umso mehr, als andere Fahrten auf der gleichen Strecke – etwa zu Bewerbungsgesprächen – nach wie vor ohne Kilometergrenze absetzbar sind.

Diese Inkonsequenzen tragen dazu bei, die Grundsatzentscheidung angreifbar zu machen, dass Fahrten zur Arbeit Privatsache seien. Schließlich bleibt dem Arbeitnehmer in der Regel gar nichts anderes übrig als eine längere Anreise – der VW-Arbeiter, merkte in der mündlichen Verhandlung die Verfassungsrichterin Lerke Osterloh milde spottend an, dürfe ja selbst beim besten Willen gar nicht neben dem Werkstor wohnen, weil die Gegend nun mal Industriegebiet sei. Überdies, so schon der BFH, steht die Wahl des Wohnorts jedem frei: Alles andere widerspräche der Berufsfreiheit und dem Schutz von Ehe und Familie.

Zur Startseite