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Politik: Pentagon will Militärstrategie ändern

US-Verteidigungsministerium sieht sich nicht mehr in der Lage, zwei große Kriege gleichzeitig zu führen

Washington Das US-Verteidigungsministerium will sich offenbar von seiner alten Strategie verabschieden, zwei Kriege gleichzeitig führen zu können. Bislang hatte das US-Militär den Anspruch, notfalls zwei konventionelle Einsätze von der Größe des Golfkriegs 1991 oder der Irak-Invasion 2003 gleichzeitig austragen zu können. „Im Zeitalter des Terrorismus ist diese Doktrin nicht mehr realistisch", sagte ein hochrangiger Pentagon-Beamter dem „Handelsblatt“. Das Verteidigungsministerium räume ein, dass die hohe Konzentration amerikanischer Truppen im Irak und in Afghanistan sowie die weltweite Kampagne gegen den Terror kaum mehr Kapazitäten für andere Konflikte lasse, berichtete die „New York Times“ am Dienstag unter Berufung auf Spitzenvertreter des Pentagons. Das Ministerium will dem Kongress bis Anfang 2006 seine neue Strategie im Rahmen einer alle vier Jahre fälligen Grundsatzstudie vorlegen.

US-Militärs geben zu, dass der Irak- Krieg traditionelle Kategorien über den Haufen werfe: Auf der einen Seite sei er kein klassischer konventioneller Einsatz unter Einbeziehung von Luftwaffe und Marine. Auf der anderen Seite binde er wesentlich mehr Soldaten als eine „Peacekeeping“-Mission. „Was wir für den Sieg in einem konventionellen Krieg brauchen, unterscheidet sich von den nötigen Instrumenten in einem Anti-Terror-Feldzug“, betont Loren Thompson vom Lexington Institute, einer auf Sicherheitspolitik spezialisierten Denkfabrik in Arlington. „Umgekehrt hat die Niederschlagung eines Aufstandes relativ wenig mit dem Kampf gegen die Verbreitung von Atomwaffen zu tun. Wir können uns nicht alles auf einmal leisten.“

Auch John Tkacik von der konservativen Denkfabrik Heritage Foundation warnt vor einer Überstrapazierung der Streitkräfte. „Ein massiver Armee-Einsatz wie im Irak ist etwa in Iran bei einer dreimal so großen Landmasse nicht machbar“, so Tkacik. „Es ist wichtig, dass alle taktischen Pläne grundsätzlich überprüft werden“, sagt William L. Nash vom Council on Foreign Relations in New York. Der Ex-General sieht jedoch eine Schwäche in den neuen Plänen: „Eine umfassende Verteidigungsstrategie muss viel mehr umfassen als nur das Pentagon und seine militärische Ausrichtung. Aber ein ganzheitlicher Ansatz fehlt weiterhin.“

Die bisherige Militärstrategie der USA fassen Experten unter der Formel 1-4-2-1 zusammen. Die erste Ziffer (1) steht für die Verteidigung amerikanischen Territoriums. Die zweite Zahl (4) bezieht sich auf Fähigkeit, potentielle Gegner in vier kritischen Weltregionen abzuschrecken. Die dritte Ziffer (2) bedeutet die Kapazität, zwei der Kontrahenten fast zeitgleich in größeren Kriegen zu besiegen. Die vierte Zahl (1) beschreibt die Möglichkeit, einen der beiden Feindstaaten vernichtend zu schlagen – einschließlich der Besetzung der Hauptstadt sowie des Sturzes der Regierung. Die neue Pentagon-Studie will sich auch mit der Frage beschäftigen, wie die USA im Falle einer Zuspitzung von Konflikten mit Iran, Nordkorea oder China reagieren sollten. HB/mbk

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