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Pestizidverordnung: Europa lässt auf Äckern weniger Gift zu

Das Parlament in Straßburg verabschiedet die strengste Pestizidverordnung der Welt. Dennoch wird Europa auch in Zukunft nicht auf Pflanzenschutz verzichten müssen.

xHochgefährliche Pflanzenschutzmittel werden künftig europaweit verboten sein. Das Europaparlament hat am Dienstag in Straßburg die lange umstrittene neue EU-Pestizidverordnung verabschiedet, die in der Landwirtschaft neue Maßstäbe für Gesundheits- und Umweltschutz setzt. Weltweit werden zum ersten Mal Verbote für Pflanzenschutzmittel verhängt, die krebserregende, erbgutverändernde oder fortpflanzungschädigende Stoffe enthalten.

"Das ist geradezu revolutionär", sagte Hiltrud Breyer, die parlamentarische Berichterstatterin, am Dienstag nach der Abstimmung in Straßburg. "Der Hokuspokus um Pestizidgrenzwerte in den Nahrungsmitteln hat jetzt ein Ende. Statt nach Rückständen in Obst und Gemüse zu suchen und darüber zu streiten, was gerade noch erträglich ist, haben wir künftig in der EU ein klares Verbot hochgefährlicher Stoffe, vor denen Verbraucher und Umwelt geschützt werden müssen." Schon in diesem Jahr werde es für hochgiftige Pestizide keine neue Zulassung mehr geben, kündigte die Grüne an. Die meisten gefährlichen Pflanzenschutzmittel, die bereits im Handel erhältlich sind, werden jedoch erst nach und nach vom Markt genommen und durch andere Produkte ersetzt. Voraussichtlich erst 2018 werden alle als hochgefährlich eingestuften Stoffe im Pflanzenschutz ersetzt sein.

"Chemische Industrie betreibt Angsmacherei"

Auf die schwarze Liste der Verbote werden künftig auch Stoffe gesetzt, die das Hormonsystem des Menschen schädigen können - die sogenannten endoktrinen Disruptoren. Die Experten der EU-Kommission wurden vom EU-Parlament beauftragt, innerhalb von vier Jahren eine Liste der hormonschädigenden Substanzen aufzustellen. Auch Wirkstoffe mit Auswirkungen auf das Immun- und Nervensystem sollen künftig in der EU aus Nahrungsmitteln und Umwelt verschwinden. In einer Studie haben Wissenschaftler 2006 insgesamt 202 Chemikalien identifiziert, die schädlich für Nerven- und Gehirnentwicklung von Kindern und Jugendlichen sind und die Entwicklung der Intelligenz hemmen. In 90 Pflanzenschutzmitteln sind diese neurotoxischen Stoffe enthalten. Immunotoxische Substanzen in Pestiziden schädigen das Immunsystem des Menschen, das eine wichtige Rolle auch bei der Krebsabwehr spielt.

Das nun beschlossene EU-Gesetz legt fest, dass die neuro- und immunotoxischen Wirkstoffe nach und nach durch ungefährliche Substanzen ersetzt werden müssen. "Gerade der Druck zur Substitution - und damit zur Entwicklung moderner und umweltfreundlicherer Produkte - wird die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Chemieindustrie auf dem Weltmarkt stärken", hofft die EU-Abgeordnete Breyer: Entgegen der "Angstmacherei der chemischen Industrie" werde Europas Landwirtschaft keineswegs auf notwendigen Pflanzenschutz verzichten müssen. Breyer schätzt, dass nur fünf Prozent der derzeit in Europa erhältlichen Produkte nach und nach unter das EU-Verbot fallen.

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