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Peter Altmaier

© Doris Spiekermann-Klaas

Peter Altmaier: „Wir dürfen das Sparpaket nicht zerreden“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, sieht den Rücktritt von Hamburgs Regierungschef Ole von Beust auch als Chance für die Christdemokraten.

Herr Altmaier, warum halten es so viele profilierte CDU-Politiker nicht mit Angela Merkel aus?
Alle Politiker halten es sehr gut mit Angela Merkel aus. Die politische Kultur hat sich aber verändert. Offenbar gibt es eine Generation von Politikern, die weniger an ihren Stühlen kleben und öfter bereit sind, Position und Tätigkeit zu wechseln. Die SPD hatte in fünf Jahren fünf Vorsitzende. Wir haben Ministerpräsidenten, die im Schnitt nach zehn Jahren aufgehört haben …
Innerhalb von zehn Monaten waren es gleich sechs Ministerpräsidenten der CDU. Das soll nichts mit Merkels Führungsstil zu tun haben?
Die Gründe sind in jedem einzelnen Fall nachvollziehbar: der Wählerwille in Thüringen und Nordrhein-Westfalen, die Möglichkeit, ein anderes wichtiges Amt auszuüben in Niedersachsen und Baden- Württemberg, der Wunsch, nach zehn Jahren im Amt eine neue Herausforderung zu suchen in Hessen und Hamburg. In keinem Fall sehe ich irgendeinen Zusammenhang mit der Bundespolitik.
Die Folgen sind dennoch schwerwiegend. Auch Ihre eigenen Leute beklagen einen Erosionsprozess in der Parteiführung.
Die CDU hat häufiger vergleichbare Generationenwechsel erlebt. Im Vergleich zu anderen Parteien verfügen wir aber über ein großes Reservoir an Führungskräften. Das sieht man in Niedersachsen, wo ein sehr beliebter Ministerpräsident durch einen exzellenten Nachfolger ersetzt wird …
Sie meinen den Wechsel von Christian Wulff zu David McAllister …
Genau. McAllister wird die Lücke sicherlich schnell füllen und mit eigenem Stil neue Akzente setzen. In Hamburg eröffnet der Wechsel von Ole von Beust zu Christoph Ahlhaus die Möglichkeit, sogar noch mehr Wähler für die CDU zu gewinnen. Obwohl Ahlhaus nicht so konservativ ist, wie viele glauben, spricht er mit seinem Auftreten auch diejenigen an, die mit Schwarz-Grün in der Vergangenheit möglicherweise Identifikationsschwierigkeiten hatten.
Und das liberale Großstadtbürgertum wählt dann wieder andere Parteien?
Ole von Beust hat bewiesen, dass die CDU als Großstadtpartei erfolgreich sein kann. Dieses Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Aber das Referendum in Hamburg hat auch etwas anderes deutlich gemacht: Es gibt ein neues Interesse der Bürger an Sachpolitik. Ole von Beust war als Person in Hamburg unschlagbar populär. Die Schulreform fand dennoch, und trotz Unterstützung aller Parteien in der Bürgerschaft, keine Unterstützung. Deshalb sind die Parteien gefordert, das Politische wieder ernster zu nehmen.
Heißt das, die Union macht ihren Frieden mit dem Instrument des Volksentscheids, weil es der Politik auf die Sprünge hilft?
Nein, ich habe generelle Vorbehalte gegen Referenden. Die direkte Demokratie nimmt auf Minderheitenrechte keine Rücksicht. Es sind Schwarz-Weiß-Entscheidungen. Parlamentarische Entscheidungen sind viel differenzierter, außerdem sind sie leichter zu korrigieren als Referenden, die dann in Stein gemeißelt sind. Auch wenn sich irgendeiner vom Ausgang immer bestätigt fühlt – die Politik muss sich manchmal über eine augenblickliche Mehrheitsstimmung in der Bevölkerung hinwegsetzen können.
Die CDU sucht nun nach einer einheitlichen Linie in der Bildungspolitik. Wie soll die aussehen?
Aus Hamburg haben wir eines gelernt: Die Mehrheit der Bürger will offenbar, dass das Gymnasium als eigenständige Form mit mindestens achtjähriger Ausbildungsdauer erhalten bleibt. Das sollte die CDU berücksichtigen.
War es ein Fehler, dass Hamburgs Christdemokraten bereit waren, die Grundschulzeit um zwei Jahre zu verlängern?
Die schwarz-grüne Koalition hat das Problem richtig beschrieben: Wie erreicht man, dass Kinder aus bildungsfernen Schichten den Anschluss nicht verlieren? Man muss akzeptieren, dass längeres gemeinsames Lernen keine Mehrheit in der Bevölkerung gefunden hat. Das heißt aber nicht, dass die Politik sich jetzt zurücklehnen darf. Wir müssen versuchen, das Ziel mit anderen Mitteln zu erreichen. Dafür muss man Geld in die Hand nehmen.
Was schlagen Sie konkret vor?
Nach der Hamburger Entscheidung wird der Druck größer, Kinder schon vor der Schule und in der Grundschulzeit zu fördern. Es muss also stärker in Schulen investiert werden, die einen hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund haben. Wir brauchen mehr Lehrer und spezielle Förderprogramme für Kinder aus bildungsfernen Familien.
Wäre es da nicht hilfreich, wenn der Bund mehr Kompetenzen in der Bildung hätte?
Ich bin dagegen, die Verfassung wenige Jahre nach der Föderalismusreform wieder zu ändern. Dennoch muss sich der Bund stärker engagieren. Die Bürger erwarten Antworten auf die Frage, wie man die Bildungschancen von benachteiligten jungen Menschen verbessern kann. Und auch die Länder werden erkennen, dass ihnen in ihrer eigenverantwortlichen Bildungspolitik nur geholfen ist, wenn ihre Entscheidungen in einen bundespolitischen Rahmen eingebettet sind.
Bedeutet Beusts Rückzug einen Dämpfer für Schwarz-Grün?
Ole von Beust hat vor zwei Jahren in Hamburg mit der ersten schwarz-grünen Koalition auf Landesebene ein Tabu gebrochen. Und sein Rückzug ändert nichts daran, dass auch in Zukunft der Weg für schwarz-grüne Bündnisse prinzipiell offen ist. Ob sie zustande kommen, hängt entscheidend von dem Vorrat an inhaltlichen Gemeinsamkeiten ab.
Schwarz-Gelb galt im Bund als Wunschkoalition, dennoch wurde seit Regierungsbeginn erbittert gestritten. Fehlt Union und FDP das gemeinsame inhaltliche Projekt?
Die Schwierigkeiten der letzten Monate hatten drei Gründe: Die Zahl der Herausforderungen war ungewöhnlich groß. Jede Koalition braucht außerdem eine Anlaufphase, in der sie zueinander findet. Und die enge Haushaltslage hat den politischen Spielraum für Steuersenkungen und Wohltaten praktisch auf null reduziert. Das hat zu erheblichen Reibungsverlusten geführt. Bei den anstehenden Entscheidungen – Sparpaket, Energiekonzept, Wehrpflicht – hat die Koalition die Chance, Handlungsfähigkeit zu beweisen und Vertrauen wiederzugewinnen.
Die ersten Minister stellen aber Teile des Sparpakets schon wieder infrage. Wie wollen Sie so Vertrauen zurückgewinnen?
Wir dürfen das Sparpaket nicht zerreden. Deshalb muss der Grundsatz gelten: Wer eine beschlossene Maßnahme nachträglich ändern möchte, muss eigene neue Sparvorschläge in mindestens dieser Höhe unterbreiten. Davon habe ich bisher noch nichts bemerkt.
Das Gespräch führten Cordula Eubel und Rainer Woratschka.

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