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Mueller

© dpa

Peter Müller: "Deutschland darf nicht Bremser sein"

Saarlands Regierungschef Peter Müller über Ansprüche an Europa, den Kanzlerjob und die Wunschkoalition.

Herr Müller, stimmt es, dass Sie als Wahlkämpfer keine Zeit für Urlaub haben?



Nein, bisher nicht. Vielleicht komme ich im Herbst dazu.

Damit erübrigt sich die Frage, ob Sie Ihren Dienstwagen mit in die Ferien nehmen?

Richtig.

Sie dürfen also in Ihrem eigenen Kompetenzteam bleiben?

So ist es.

Was hat die CDU bisher eigentlich falsch gemacht, dass sie in den Umfragen immer viel schlechter dasteht als die Kanzlerin?

Wir leben in Zeiten einer großen Koalition. Die sind nicht einfach für die Koalitionsparteien. Das hat sicherlich die Werte für die CDU beeinflusst.

Und was, bitte, soll geschehen, damit sich das noch ändert?

Ich glaube, dass, je näher der Wahltag kommt, diese Lücke sich immer mehr schließen wird. Dann wird sich den Wählern die Frage stellen: Was sind die richtigen Optionen für die Zukunft? Und da sind Kanzlerin und CDU eins.

Nicht nur SPD-Kanzlerkandidat Frank- Walter Steinmeier wirft Angela Merkel vor, sie wolle im Schlafwagen die Macht erhalten. Scheut die CDU eine inhaltliche Auseinandersetzung?

Ich halte diesen Vorwurf von Herrn Steinmeier für unsinnig. Die Kanzlerin hat einen hervorragenden Job gemacht. Sie steht klar für die Positionen, die wir im Wahlprogramm beschlossen haben. Sie steht für eine bürgerliche Mehrheit. Sie ist die profilierteste Politikerin in Deutschland. In solchen Vorhaltungen wird ein Stück Ratlosigkeit auf der Seite der SPD deutlich.

Aber worin soll denn der Aufbruch bestehen, den eine neue, andere Regierung dem Land bescheren soll?

Das erste Thema ist die Überwindung der Wirtschaftskrise. Das wird uns sicher noch eine ganze Weile beschäftigten. Wir setzen auf Wachstum. Wir setzen auf das Konzept der sozialen Marktwirtschaft. Und ich glaube, dass wir klar und richtig – und möglicherweise als einzige Partei – erkannt haben, wo private Verantwortung wahrgenommen werden muss und wo der Staat kontrollierend und rahmengebend seine Position finden muss. Mit Blick auf die aktuelle Situation hat die CDU das überzeugende Politikangebot. Und mit Blick auf Themen wie Forschung, gesellschaftliche Entwicklung, Außenpolitik ist das Wahlprogramm ein geschlossener Entwurf mit Zukunftsperspektive.

Gutes Stichwort: Außenpolitik. Sie waren gerade Präsident des Bundesrates. Würde es Sie nicht reizen, über die Länderkammer in die Europapolitik hineinzuregieren?

Die Vertretung der Bundesrepublik nach außen ist Sache der Regierung und nicht Sache des Bundesrates. Die andere Frage ist, wie weit Bundesrat und Bundestag bei Themen, die von Europa aus in innerstaatliche Angelegenheiten eingreifen, mitreden sollen. Das Bundesverfassungsgericht hat an diesem Punkt Handlungsbedarf gesehen. Und ich bin sehr dafür, dass dieser Auftrag noch vor der Bundestagswahl erfüllt wird.

Die Union zankt: CSU-Chef Horst Seehofer will Veto-Möglichkeiten für Bundestag und Bundesrat durchsetzen, die CDU will nur das Nötigste nachbessern.

Ich glaube, dass wir einen mittleren Weg gehen sollten. Das Gericht hat eingefordert, dass das Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag in einigen Punkten verändert wird. Es hat das zur Voraussetzung für die Ratifikation des Vertrages durch Deutschland gemacht. Diese Punkte sind klar und eindeutig im Urteil definiert. Das kann man mit etwas gutem Willen in dieser Legislaturperiode noch leisten, und das muss man leisten. Deutschland darf nicht in die Rolle kommen, plötzlich Bremser in Europa zu sein.

Bis dahin sind sich alle einig ...

Daneben gibt es in dem Urteil verfassungspolitische Erwägungen, etwa darüber, ob neue Möglichkeiten zur Klage gegen EU-Vorschriften geschaffen werden sollten. Das sollte man in einer zweiten Stufe ergebnisoffen diskutieren.

Und wann soll das passieren?

Das ist jetzt nicht mehr zu leisten. Das sollte man in der nächsten Wahlperiode in Angriff nehmen.

Die CSU will sich darauf aber nicht einlassen, weil sie befürchtet, dass aus dem Aufgeschoben rasch ein Aufgehoben wird ...

Ich halte solches Misstrauen für unbegründet. Ich verhehle aber auch nicht, dass ich selbst ausgesprochen skeptisch bin, was die verfassungspolitischen Anregungen aus Karlsruhe angeht.

Warum? Was spräche dagegen, dass Bürger von ihrem eigenen Verfassungsgericht klären lassen dürfen, ob ein europäischer Eingriff wirklich zulässig ist?

Eine solche neue Form von Verfassungsbeschwerde würde ja nur dann Sinn machen, wenn nationale Gerichte europäische Prozesse nicht bloß überprüfen, sondern sie auch anhalten oder für den jeweiligen Staat außer Kraft setzen könnten. Aber wenn wir damit anfangen, würden das andere Staaten auch tun. Und das wäre eine Entwicklung, die wir uns für Europa wirklich nicht wünschen können.

Der zweite Streitpunkt in der Union ist die Steuerpolitik. CDU und CSU versprechen den Bürgern Steuersenkungen, aber die CDU will nicht sagen, wann. Wäre ein klares Datum nicht glaubwürdiger?

Ich halte den Weg für richtig, den unser gemeinsames Wahlprogramm weist. Die Frage von Steuersenkungen stellt sich dann, wenn der Staat wieder Mehreinnahmen zu verzeichnen hat. Also dann, wenn die Krise überwunden ist, nicht vorher. Daneben müssen wir jede Entlastung abwägen gegen die Notwendigkeiten, den Staatshaushalt wieder zu konsolidieren.

Und wenn bis 2013 das Geld nicht da ist, fällt die Steuersenkung leider aus?

Nein, das passiert schon in der nächsten Wahlperiode. Ich kann mir ja schlechterdings nicht vorstellen, dass die Wirtschaftkrise innerhalb der nächsten vier Jahre nicht überwunden wird.

Vier Wochen vor der Bundestagswahl stellen Sie sich zur Wahl. Lange sah das nach einem Duell Müller – Lafontaine aus. Jetzt haben Sie erklärt, dass Sie Lafontaine überschätzt hätten ...

Bei Oskar Lafontaine ist der Lack ab. Die Menschen spüren, dass seine Konzepte nicht seriös sind, rückwärtsgewandt, ausschließlich an der Vergangenheit orientiert. Er hatte in seiner Zeit als Ministerpräsident die Politik des Landes zwar wesentlich mit geprägt. Vorangebracht hat er das Land aber nicht. Mittlerweile manövriert er sich immer mehr ins Abseits.

Und jetzt heißt Ihr Gegner Heiko Maas?

Die Alternative heißt: Rot-Rot oder Regierungskoalition unter Führung der CDU. Ich sehe eine deutliche Mehrheit bei den Menschen, dass mit Rot-Rot das Saarland ins Abseits geraten würde.

„Koalition unter CDU-Führung“: auch Schwarz-Grün, auch Jamaika?

Wenn eine Koalition notwendig wird, bestimmt sie sich ausschließlich nach den Inhalten. Wir wollen eine bürgerliche Mehrheit gemeinsam mit der FDP.

Eigentlich können Sie doch gar nicht froh darüber sein, dass die Linke nicht vorankommt und die SPD stabil bleibt: Damit steigt die Chance auf ein linkes Bündnis mit SPD-Ministerpräsident!

Umfragewerte von 21, 23, 26 Prozent als stabil anzusehen, wie die SPD dies tut, erstaunt mich doch sehr. Die Sozialdemokraten sind begeistert über solche Werte. Daran kann man sehen, dass die SPD auch hier im Saarland den Anspruch aufgegeben hat, Volkspartei zu sein.

Was heißt „auch hier“?

Ich glaube, dass es auch auf Bundesebene nur noch eine Volkspartei gibt, die CDU.

Das ist aber ein arg forscher Abgesang!

Die demoskopischen Befunde stützen diese Aussage. Das Ergebnis der Europawahl stützt sie ebenfalls sehr eindeutig.

So toll war das Europa-Ergebnis für die CDU in Wahrheit nicht!

Gleichwohl war es ein Ergebnis, bei dem wir in Anspruch nehmen können, die Breite der Bevölkerung in der eigenen Partei wiederzufinden.

Die Demoskopie hat uns in den letzten Jahren aber auch gezeigt, dass am Ende die CDU immer schwächer und die SPD immer stärker abschneidet als vorhergesagt.

Ein Naturgesetz ist das nicht, wie man an der Europawahl sehen kann. Ich glaube ohnehin, dass jede Wahl ihre eigenen Gesetze hat. In einer Zeit, in der Wirtschaftskompetenz, Sicherung von Arbeitsplätzen und Wege zu neuem Wachstum entscheidend sind, hat die Union beste Chancen, die Menschen zu überzeugen. Dieser Effekt aus der Vergangenheit, dass wir auf den letzten Metern schwächelten, wird sich nicht wiederholen.

Das Gespräch führte Robert Birnbaum.

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