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Petition: 100.000 gegen Internetsperre

Am Donnerstagmittag hat eine Online-Petition gegen die Einführung von Internetsperren die Grenze von 100.000 Unterzeichnern durchbrochen. Auch bei einer Anhörung im Bundestag wird klar, dass es bereits viel effektivere Wege gibt, als kinderpornografische Inhalte im Netz nur zu sperren.

Seit Wochen umkämpft und umstritten sind die groß angekündigten Pläne der Bundesregierung, im Internet Stoppschilder vor Webseiten einzurichten, die zu kinderpornografischen Inhalten führen. Dadurch wird die Informationsfreiheit eingeschränkt, beklagt eine Online-Petition, die Donnerstagmittag die Grenze von 100.000 Unterzeichnern durchbrochen hat. Die Sperren seien leicht zu umgehen und nützten daher nichts, sagen IT-Experten.

Bei einer Anhörung im Bundestag am Mittwoch zu diesem Thema wurde klar: Es gibt bereits viel effektivere Wege, kinderpornografische Inhalte im Netz nicht nur zu sperren, sondern sie ganz daraus zu verbannen. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) führt gemeinsam mit der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter eine Beschwerdestelle, bei der Nutzer die Provider auf Kinderpornos aufmerksam machen können. Die Erfolgsquote ist enorm: Innerhalb von einem Tag verschwinden 80 Prozent der gemeldeten Inhalte von den Servern. „Das vorrangige Ziel sollte doch sein, die Inhalte zu löschen“, sagt Oliver Süme vom eco-Vorstand. „Die Stoppschild-Taktik der Regierung ist höchstens eine flankierende Maßnahme.“

Auch Grünen-Politiker Wolfgang Wieland (MdB) warnt davor, „zu glauben, wir sperren die Seiten, und damit ist das Problem gelöst“. Damit ziehe man lediglich einen Vorhang vor ein Verbrechen, das dahinter weiter geschehe – „nur mit exklusiverer Kundschaft“. Denn die Sperre schreckt höchstens Gelegenheitssurfer ab oder solche, die zufällig und ungewollt auf pornografische Inhalte stoßen. Der Internetverband packt das Problem von der anderen Seite an. Dank der Beschwerdestelle kann eco den Anbietern von Kinderpornos direkt auf die Schlichte kommen und dem Bundeskriminalamt melden, das die Strafverfolgung einleitet. Über das Netzwerk Inhope ist der Verband außerdem mit über 30 Internetbeschwerdestellen weltweit verbunden. „Wenn Nutzer Inhalte melden, die auf ausländischen Servern liegen, kontaktieren wir die Provider dort“, sagt Oliver Süme. Dadurch habe der Verband in der Vergangenheit große Erfolge bei der Eindämmung von Kinderpornografie erzielt.

In den Unionsparteien beginnt das Umdenken

Schwierig wird es in Ländern, in denen Kinderpornografie nicht geächtet wird. Hier allein soll der Gesetzentwurf der Bundesregierung greifen. „Wir haben das Thema zu hoch gehängt“, gibt die Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Fraktion, Martina Krogmann, zu. „Die Sperren sind eine zusätzliche Präventionsmaßnahme dort, wo unser Strafrecht nicht greifen kann.“ Nach Ansicht von Oliver Süme setzt diese Maßnahme an der falschen Stelle an, indem sie Kinderpornografie nur im World Wide Web verfolgt, „denn die findet viel eher in Newsgroups, Mails und Chats statt“, also anderen Teilen des Internets außerhalb des World Wide Webs. Von den 2600 Beschwerden über Kinderpornos, die im vergangenen Jahr beim Verband der deutschen Internetwirtschaft eingegangen sind, bezog sich laut Süme lediglich ein Fünftel auf das WWW.

Bei der Anhörung im Bundestag äußerten Oliver Süme und andere Experten zudem verfassungs- und datenschutzrechtliche Bedenken. Laut Gesetzentwurf darf das BKA in Zukunft eine Liste von Seiten mit kinderpornografischen Inhalten erstellen und diese ohne richterliche Kontrolle sperren. Dabei schlossen die Experten nicht aus, dass unberechtigt auch legale Inhalte gesperrt werden könnten. Außerdem könnten zufällig auf den Seiten gelandete Nutzer zu Unrecht verdächtigt werden.

Julia Wäschenbach

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