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Petra Pau ist Vizepräsidentin des Bundestages. Personaldebatten sind ihr nicht so wichtig, wie die Ausrichtung der Partei: Sie ist für eine offene, plurale und lernenden Partei.

© Thilo Rückeis

Petra Pau: „Verbale Klassenkämpfe helfen uns nicht“

Zu den Wahlgewinnern gehört die Linke dieses Jahr nicht. Die Linken-Politikerin Petra Pau sprach mit dem Tagesspiegel über die Herausforderung durch die Piraten und ihr Werben für eine offene Partei.

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Frau Pau, verstehen Sie Ihre Partei noch?

Die Linke verstehe ich bisher noch ganz gut.

Aber?

Wir stehen am Ende eines Wahljahres, das für uns enttäuschend verlaufen ist. Das muss in Ruhe analysiert werden. Dazu gehört die Frage, wohin die Linke sich entwickeln soll. Da gibt es die Alternative zwischen einer offenen, pluralen und lernenden Partei oder einer straff geführten verschlossenen Partei. Es geht also auch um den Charakter, den wir ausstrahlen. Ich hoffe, dass die Offenheit, mit der wir vor Jahren als PDS gestartet sind, nicht auf der Strecke bleibt.

Woran liegt es, dass das Jahr für die Linkspartei nicht gut gelaufen ist?

Denkzettel haben wir in Ost und West bekommen. Mich besorgt besonders, dass uns bei den letzten Wahlen nur wenige junge Leute gewählt haben, das war schon einmal anders. Auch konnten wir früher mehr Nichtwähler mobilisieren. Jetzt in Berlin haben die Piraten und auch ein wenig die Grünen gewonnen. Die Themen, mit denen diese beiden Parteien das geschafft haben, sagen viel über unsere Stärken und Schwächen aus.

Sie haben auf die falschen Themen gesetzt?

Selbstverständlich sind und bleiben wir eine Partei der sozialen Gerechtigkeit und eine Friedenspartei. Aber wir müssen endlich auch eine moderne Bürgerrechtspartei werden. Das ist nicht nur eine Frage von Volksabstimmungen. Es geht etwa auch um Fragen der Partizipation im Internetzeitalter. Wir haben da durchaus Experten und richtige Antworten. Aber die Bürger bekommen davon zu wenig mit. Und manchmal wissen nicht einmal die eigenen Genossen, wofür sich einige von uns stark engagieren.

Der Erfolg der Piraten spiegelt also auch ein Versagen Ihrer Partei wider?

Zumindest ist er ein Warnsignal. Spürbar ist: Wir erreichen bestimmte soziale Schichten kaum noch, zum Beispiel jüngere Leute in Zukunftsbranchen, aber eben auch in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Dagegen helfen weder alte Gewerkschaftsrezepte noch die von verbalen Klassenkämpfen. Hinzu kommen drei Trends: Wir erleben gerade eine globale Krise des Kapitalismus, der sozial-ökologische Umbau der gesamten Gesellschaft drängt, und die Demokratie leidet unter massiver Schwindsucht. Unsere Alternativen dazu gehören erkennbar auch ins Grundsatzprogramm, das wir Ende Oktober auf dem Parteitag in Erfurt beschließen wollen.

Auf der zweiten Seite lesen Sie, wie Pau zu Personaldebatten innerhalb der Partei steht.

Sie haben die Aufstellung Ihrer Partei angesprochen. Kommt die Linke mit Ihren jetzigen umstrittenen Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst aus der Krise? Beide halten sich eine neue Kandidatur im Frühjahr kommenden Jahres offen.

Ich beteilige mich an Personaldebatten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Zumal der aktuelle Streit ums Personal häufig nur als Ersatz für nicht ausgetragene strategische Entscheidungen dient. Ich kann allen nur raten, im Moment die Klappe zu halten. Erst müssen wir uns über unsere Inhalte und Strategie verständigen, bevor wir über Personen reden.

Der linke Flügel würde gerne die Kommunistin Sahra Wagenknecht an der Spitze der Partei oder der Fraktion sehen. Vor einigen Jahren wäre das noch völlig undenkbar gewesen. Wäre es heute für Sie akzeptabel?

Wie gesagt: kein Kommentar.

Nach dem Ende von Rot-Rot in Berlin und dem gescheiterten Versuch in Mecklenburg-Vorpommern, dieses Bündnis wieder aufzulegen, beginnt in der Partei eine neue Debatte über den Sinn von Regierungsbeteiligungen. Was raten Sie Ihren Parteifreunden?

Ich halte diese Debatte für völlig überflüssig. Die Linke muss sowohl in der Opposition als auch in Regierungen beweisen, dass sie machbare und für Menschen attraktive Lösungen hat.

Sie erinnern sich sicher noch gut an die Zeit zwischen 2002 und 2005, als die PDS an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte und im Bundestag nur durch Sie und Gesine Lötzsch als direkt gewählte Kandidatinnen vertreten war. Droht Ihnen ein solches Erlebnis bei der Bundestagswahl 2013 wieder?

Gesine Lötzsch und ich haben in diesen drei Jahren ungeheuer viel gelernt. Aber diese Erfahrung will ich mit Sicherheit nicht noch einmal machen.

Das Interview führten Cordula Eubel und Matthias Meisner.

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