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Was ist drin im Hack - Pferd oder Rind?

© Patrick Pleul/dpa

Pferdefleisch-Skandal: SPD will europäische Lebensmittelpolizei

Europas Lebensmittelbehörden wissen angeblich von mehr Fällen von Pferdefleischbetrug als bisher bekannt. Das Verbraucherministerium rechnet mit intensiveren Kontrollen

Nach dem erneuten Fund von undeklariertem Pferdefleisch fordert SPD-Chef Sigmar Gabriel die Gründung einer europäischen Lebensmittelpolizei. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass sich nur noch Besserverdienende gesunde Lebensmittel aus dem Biomarkt leisten können“, sagte Gabriel am Freitag der „Bild“-Zeitung. Mit einer „Eurofood“-Behörde nach dem Vorbild von Europol könne die Zersplitterung und das Kompetenzwirrwarr im Bereich der Lebensmittelkontrolle beendet werden, meinte Gabriel.
Nach Recherchen der Verbraucherorganisation „Foodwatch“ ist das Ausmaß des Betrugs mit Pferdefleisch, das Verbrauchern als Rindfleisch verkauft wird, größer als bisher bekannt. Es seien ganze gefrorene „Rinder-Vorderviertel“ gehandelt worden, die tatsächlich aus Pferdefleisch bestanden, teilte Foodwatch am Freitag in Berlin mit. Über diesen Sachverhalt hätten sich die europäischen Lebensmittelbehörden am 5. April gegenseitig informiert. Zwischen dem 1. Februar und dem 10. April – also nach Bekanntwerden des ersten Pferdefleischskandals – hätten die Behörden zudem Kenntnis von 58 Fällen erhalten, in denen Pferdefleisch grenzüberschreitend vermarktet worden ist, ohne als solches gekennzeichnet gewesen zu sein. „Auch nach dem ersten Pferdefleisch-Skandal im Februar ging der Betrug auf dem gesamten Kontinent munter weiter“, sagte Foodwatch-Sprecher Martin Rücker.
Noch ist unklar, wie der neueste Skandal um den niederländischen Großhändler Willy Selten zu beurteilen ist. Selten soll in den vergangenen zwei Jahren 50 000 Tonnen Fleisch verkauft haben, bei dem der Verdacht besteht, dass dem Rindfleisch Pferd untergemischt worden ist. Das Fleisch wurde auch an 124 Betriebe in Deutschland geliefert, einer davon in Berlin. Das Unternehmen stellt Zutaten für Pizzen und Fleischwürfel für Dosengulasch her und beliefert seinerseits andere Firmen. Welche das sind und ob Berlin noch aus anderen Quellen undeklariertes Pferdefleisch bekommen hat, werde derzeit geprüft, teilte die Sprecherin der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz, Claudia Engfeld, mit. Von einer Gesundheitsgefahr für die Verbraucher geht man aber derzeit nicht aus. Im Bundesverbraucherministerium hält man es für möglich, dass noch mehr als die 124 bekannten Betriebe betroffen sind. Weil auch Zwischenhändler auf der Liste stehen, könne es sein, „dass in den kommenden Tagen mehr Betriebe überprüft werden müssen als bislang bekannt“, sagte Ministeriumssprecher Holger Eichele am Freitag.

Noch ist aber unklar, ob es wirklich neue Fälle sind oder ob die Lieferungen – zumindest teilweise – schon unter den bereits früher bekannt gewordenen und untersuchten Täuschungsfällen enthalten sind. Die niederländischen Behörden hatten das Fleisch, das Selten geliefert hatte, aus 16 europäischen Ländern zurückgerufen, weil der Unternehmer seine Lieferungen nicht dokumentieren konnte. Selten wehrt sich und fordert eine Entschädigung von 5,8 Millionen Euro. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) fordert eine vollständige Aufklärung. Es gehe um „handfesten Betrug“, betonte ihr Sprecher. Die EU-Kommission hatte deshalb bereits im Februar Europol gebeten, aktiv zu werden.
Die Forderung Gabriels nach einer europäischen Lebensmittelpolizei stößt im Ministerium jedoch auf Ablehnung. „Der reflexhafte Ruf nach zusätzlichen Behörden auf EU-Ebene bringt uns nicht weiter“, sagte Eichele. Es sei „naiv“ zu glauben, eine zentralistisch organisierte Behörde in Brüssel könne die Lebensmittelsicherheit für mehr als 500 Millionen Bürger gewährleisten. „Nur durch Kontrollen vor Ort und eine konsequente Ahndung und auch Veröffentlichung von Verstößen kann die Sicherheit von Lebensmitteln gewährleistet werden.“

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