zum Hauptinhalt
Helfende Hand: Berufstätigkeit und die Pflege von Angehörigen ist oft schwer miteinander vereinbar.

© dpa

Pflege von Angehörigen: Kabinett beschließt Recht auf Auszeit

Wer Angehörige pflegt, soll nach dem Willen der großen Koalition künftig eine bezahlte Pause vom Job nehmen dürfen. Das hat das Bundeskabinett am Mittwoch vormittag beschlossen.

Theoretisch ist die Sache längst möglich, praktisch aber wird sie bisher so gut wie nicht in Anspruch genommen. Von den rund 400 000 Berufstätigen, die nebenher Angehörige pflegen, nutzen derzeit gerade einmal 134 Menschen die im Jahr 2012 eingeführte Möglichkeit, in ihrem Job zeitweise dafür zu pausieren.

Das ist kein Wunder. Denn die unter Schwarz-Gelb ersonnene Arbeitszeitverringerung mit Lohnvorschuss hat gleich einen doppelten Haken. Die Pflegenden haben keinen Rechtsanspruch darauf. Und sie müssen ihre Auszeit, wenn sie ihnen denn gewährt wird, komplett aus eigener Tasche finanzieren. Es gibt keinen Lohnersatz

Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) will nun nachbessern und aus dem verbesserungsbedürftigen Entwurf ihrer Vorgängerin Kristina Schröder (CDU) ein Erfolgsmodell machen. Nach ihren Plänen sollen alle Berufstätige künftig bis zu zehn Tage im Jahr für die Pflege von Angehörigen zu Hause bleiben dürfen – und währenddessen weiterhin bis zu 90 Prozent ihres Nettoeinkommens erhalten.

Bis zu 24 Monate Teilzeit möglich

Außerdem bekommen Arbeitnehmer, sofern sie in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten arbeiten, einen Rechtsanspruch darauf, zur Pflege von Angehörigen sechs Monate ganz und bis zu 24 Monate teilweise aus ihrem Job auszusteigen. Am Mittwoch sind diese Änderungen als "Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf" vom Kabinett beschlossen worden.

Für die Zehn-Tage-Auszeit, die auch kleinere Betriebe auf die Schnelle gewähren müssen, soll bereits eine ärztliche Bescheinigung genügen. Schwesig rechnet damit, dass sie pro Jahr von bis zu 40 000 Arbeitnehmern genutzt werden wird. Darüber hinaus können Beschäftigte zur Pflege ihrer Angehörigen künftig nicht nur sechs Monate unbezahlt komplett aus ihrem Job aussteigen. Sie erhalten auch die Möglichkeit, noch länger nur in Teilzeit zu arbeiten – etwa um Schwerstkranke in ihrer letzten Lebensphase zu betreuen. Für diese Teilzeitregelung ist lediglich ein Pensum von mindestens 15 Wochenstunden vorgegeben.

Kreis der Berechtigten wird erweitert

Insgesamt ist die Familienpflegezeit auf 24 Monate beschränkt. Das war sie bisher zwar auch schon. Neu ist aber, dass der Bund den Pflegenden, damit sie sich die lange Auszeit leisten können, künftig ein zinsloses Darlehen gewährt. Nach Schwesigs Worten werden die Mehrkosten insgesamt pro Jahr auf 100 Millionen Euro beziffert, aufkommen soll dafür die Pflegeversicherung. Die Ministerin rechnet damit, dass pro Jahr rund 7000 Beschäftigte die Familienpflegezeit und rund 4000 ein zinsloses Darlehen beantragen werden.

Zu Rechtsanspruch und Finanzierung kommt noch ein Drittes: Der Kreis der Berechtigten wird erweitert. Künftig sollen darauf, so kündigte Schwesig an, auch Stiefeltern, Schwager und nicht verheiratete homosexuelle Lebensgefährten Anspruch haben. Zudem könnten sich zum Beispiel berufstätige Geschwister die Pflege ihrer Mutter oder ihres Vaters so organisieren, dass sie nacheinander und jeweils bis zu 24 Monate im Beruf kürzertreten. Dadurch behielten sie trotz Pflege ihre Vollzeitstelle und blieben während dieser Zeit auch sozialversichert.

Kritik von Opposition und Arbeitgebern

Die Änderungen sollen 2015 in Kraft treten. Die Opposition jedoch ist unzufrieden. "Die große Koalition springt zu kurz und lässt zugleich die Arbeitgeber bei der Finanzierung außen vor", sagte Sabine Zimmermann von der Linkspartei. Nötig sei eine sechswöchige bezahlte Pflegezeit für alle Erwerbstätigen - außerdem dürften Beschäftigte in kleineren Betrieben nicht vom Rechtsanspruch auf längere Auszeiten ausgeschlossen werden. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält das Finanzierungsproblem längerer Pflegezeiten für noch immer nicht gelöst. Und auch die Arbeitgeber reagierten ablehnend. Mit dem Rechtsanspruch auf Pflegezeit werde "ein weiterer befristeter Teilzeitanspruch geschaffen, der kostenträchtige und nur schwer handhabbare Regelungen bedeutet", kritisierte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false