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Politik: Pflegekräfte befürchten scharfe Einschnitte

Bund und Kassen wollen für Ärzte-Tarifabschluss an kommunalen Kliniken nicht mehr ausgeben

Berlin - Während sich die Ärzte an kommunalen Kliniken über bis zu 13 Prozent mehr Gehalt freuen, sorgen sich Pflegeverbände, dass der Tarifabschluss nun auf ihre Kosten geht. Sie fürchte, dass „zunächst an der Stellenschraube gedreht werden wird“, sagte Marie-Luise Müller, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, dem Tagesspiegel. Auch die Fallzahl pro Pflegekraft werde zunehmen, „und das bei steigender Pflegeintensität durch das immer höhere Alter der Patienten“.

Wolfram Candidus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten, teilt die Befürchtung, dass jetzt bei der Pflege gespart wird, nennt das aber „kontraproduktiv“: „Wir können doch nicht die in der Tat unzumutbare Lage der Ärzte auf Kosten des Pflegepersonals verbessern, das den Großteil der gesamten Behandlung trägt.“ Schwestern und Pfleger müssten mehr Verantwortung erhalten. Candidus ist bereits mit den Berufsverbänden im Gespräch, um gegebenenfalls eine Großdemonstration in Berlin zu organisieren: „Wenn die Ärzte mit Trillerpfeifen durch die Stadt ziehen können, können das Krankenschwestern, Pfleger und Patienten auch.“

Vielen Häusern stelle sich nun „die Existenzfrage“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum. Der Gesetzgeber handle „unverantwortlich“, wenn er die Höhe der Klinikeinnahmen festschreibe, aber massive Schübe bei den Personalkosten dulde. Die Koalition müsse deshalb die Gesundheitsreform nachbessern. Ähnlich äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus. Er forderte von der Regierung, auf den vereinbarten Klinikbeitrag zur Gesundheitsreform in Höhe von 750 Millionen Euro zu verzichten.

Der Bund jedoch weigert sich, den kommunalen Kliniken zu helfen. „Es kann nicht angehen, dass man sich zulasten Dritter einigt“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Marion Caspers-Merk (SPD). Für Nachverhandlungen sehe sie keinen Anlass: „Jeder wusste, was die Politik vorhatte. Die Kürzung war angekündigt, und sie war planbar.“ Der Bund sende ein falsches Signal, wenn er auf die Forderungen der Klinikträger eingehe. AOK-Chef Hans Jürgen Ahrens forderte die kommunalen Kliniken auf, steigende Personalkosten für Ärzte durch Einsparungen zu finanzieren. Es sei völlig unrealistisch, die höheren Personalkosten „eins zu eins“ auf die Krankenkassen zu übertragen, sagte er im Deutschlandfunk.

Für die meisten kommunalen Kliniken in Berlin und Brandenburg bleibt der Abschluss zunächst ohne Folgen. Für Berlins Klinikkonzern Vivantes mit neun ehemals städtischen Kliniken gelte ein Notlagentarif, sagt Personalgeschäftsführer Ernst-Otto Kock. Deshalb war hier auch nicht gestreikt worden. Der Chef des örtlichen Marburger Bundes, Matthias Albrecht, kündigte Gespräche mit der Geschäftsführung an. „Natürlich ist es unser Ziel, dass die Einigung auch für die Vivantes-Ärzte umgesetzt wird“, sagte er.

In Brandenburg verabschiedeten sich viele kommunale Kliniken aus dem Flächentarif. So erklärte Potsdams Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) den Austritt der Ernst-von-Bergmann-Klinik. Damit wird die automatische Übernahme des Vertrags gestoppt. Die Mehrbelastung hätte die Zukunftsfähigkeit des Klinikums gefährdet. Die ausgetretenen Kliniken müssen nun mit dem Marburger Bund Haustarifverträge aushandeln.

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