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Der CSU–Chef legt eigene Pläne zur Pflegereform vor – und kommt damit der Bundesregierung in die Quere.

© dapd

Pflegereform: CSU legt eigenes Konzept zur Gesundheitsreform vor

Die Betreuung Demenzkranker soll, nach Plänen von CSU-Chef Horst Seehofer, zukünftig über Steuern finanziert werden. Regierungskreise titulieren die Konzeptpläne der CSU zur Pflegereform als Störmanöver.

Berlin - Im Streit um die Gesundheitsreform haben sie sich bereits als „Wildsäue“ und „Gurkentruppe“ beschimpft. Bei der Pflege kommt die CSU dem FDP- geführten Gesundheitsministerium nun erneut in die Quere. Während Ressortchef Daniel Bahr in Berlin an den letzten Details seiner Reformeckpunkte feilt, sind die Münchner nun schnell noch mit eigenen „konzeptionellen Überlegungen“ vorgeprescht. Das Dumme daran: Beides passt nicht zusammen.

In dem neunseitigen Konzept des bayerischen Sozialministeriums, das dem Tagesspiegel vorliegt, ist von ergänzender Kapitaldeckung, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, keine Rede. Und auch die avisierte Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, mit der etwa dem höheren Betreuungsbedarf von Altersverwirrten Rechnung getragen werden soll, wird verworfen. Dies sei, so heißt es in dem Papier, „kurzfristig kaum erreichbar und in der Sache auch nicht alternativlos“.

Die Alternative der CSU ist radikaler. Die Betreuungsleistungen für Demenzkranke sollten aus der Pflegeversicherung ausgelagert und mit der sogenannten Eingliederungshilfe für Behinderte in einem eigenen „Bundesleistungsgesetz“ zusammengelegt werden, heißt es in dem Konzept. Miterfasst werden sollten darin zudem die Zuschüsse für Schwerstpflegebedürftige. Zu finanzieren wären diese Leistungen dann nicht mehr über Sozialbeiträge, sondern komplett aus Steuermitteln.

Für CSU-Chef Horst Seehofer böte dieser Verschiebebahnhof einen doppelten Vorteil. Trotz der unumgänglichen Leistungsverbesserung für die wachsende Zahl Demenzkranker müssten die Pflegebeiträge nicht steigen. Darauf hatte sich der Parteivorsitzende zum Erstaunen vieler Pflegeexperten schon vor Monaten festgelegt. Außerdem könnte sich Seehofer bei den Kommunen lieb Kind machen, die bisher die Eingliederungshilfe für Behinderte allein schultern müssen. Diese Kosten hätte künftig der Bundesfinanzminister am Hals.

Was die Sache den Bundeshaushalt kosten würde, steht nicht in dem Papier. Ebenso wenig, woher Wolfgang Schäuble (CDU) das Geld dafür auftreiben soll. Schätzungen zufolge schlügen allein die Kosten für Behinderte mit 12 bis 13 Milliarden Euro pro Jahr zu Buche. Hinzu kämen die Leistungen für Demenzkranke.

Lesen Sie auf Seite zwei mehr aus dem Konzeptpapier der CSU.

Und die Bayern haben noch weitere Vorschläge. So sollten Pflegezeiten von Angehörigen rentenrechtlich mit denen von Kindererziehung gleichgestellt werden. Dafür könnten auch Bundeszuschüsse verwendet werden. Bisher bringe ein Jahr Kindererziehung 27,47 Euro Rente im Monat, ein Jahr Pflege dagegen nur zwischen 7,42 und 22,26 Euro. Des Weiteren will die CSU pflegende Haushalte steuerlich entlasten. Ausgaben für häusliche Pflege sollten „in vollem Umfang als Sonderausgaben“ abgesetzt werden können. „Familien sollen insoweit Unternehmen gleichgestellt werden“, heißt es in dem Papier. Derzeit sind nur bis zu 20 Prozent der Kosten abzugsfähig. Nur der Vorschlag, für Pflegekräfte in privaten Haushalten die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung bis zu 800 Euro brutto (und teilweise auch die Arbeitgeberbeiträge) zu übernehmen, träfe Pflegeversicherung und Beitragszahler.

Dass Schäuble bei alldem mitmacht, sei kaum zu erwarten, hieß es in Regierungskreisen. Schließlich habe sich der Finanzminister schon über zweistellige Millionenbeträge beim geplanten Landärztegesetz erregt. Zudem habe der Bund den Kommunen bereits schrittweise die Grundsicherung im Alter abgenommen und ihnen so Ausgaben von bis zu vier Milliarden Euro im Jahr erspart. Auf Anfrage wolle sich das Finanzministerium nicht zu dem CSU-Konzept äußern.

In Regierungskreisen wurde das CSU- Papier als „bewusstes Störmanöver“ gewertet. Seehofer wolle offenbar die Reform torpedieren und „Verhandlungsmasse aufbauen“. Die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) warnte bereits eindringlich vor Verzögerungen. Keinesfalls, so die pflegepolitische Sprecherin der SPD-Länder, dürfe es „wieder zu einem entsetzlichen Gezänk kommen wie bei der Gesundheitsreform“.

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