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Pflegesystem: Auf Unterstützung angewiesen

Der Mangel an ausgebildeten Pflegekräften nimmt zu. Dem Statistischen Bundesamt zufolge werden im Jahr 2025 rund 152.000 Beschäftigte in Pflegeberufen fehlen. Was kann dagegen getan werden?

Seit Jahren beklagen die Arbeitgeber in der Pflege, dass ihnen die qualifizierten Fachkräfte ausgehen. Pünktlich vor einem Treffen mit Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) zur Pflegereform an diesem Dienstag liefert das Statistische Bundesamt Daten, die den Mangel beim Pflegepersonal belegen: In 15 Jahren, prognostizieren die Statistiker, werden voraussichtlich 152 000 Alten- und Krankenpfleger sowie Helfer fehlen.

Hauptgrund ist die steigende Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland. Mit steigender Lebenserwartung nimmt auch die Zahl derjenigen zu, die im Alter professionell gepflegt werden. Mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen wird derzeit in Pflegeheimen oder durch ambulante Pflegedienste betreut. Und bis 2050 wird sich nach Prognosen des Statistischen Bundesamts die Zahl der Pflegebedürftigen auf rund 4,5 Millionen verdoppeln.

Nach einer aktuellen Branchenanalyse der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist zwar die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in dem Sektor im vergangenen Jahrzehnt deutlich gestiegen, um etwa 250 000. Aber im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der offenen Stellen in der Altenpflege, die von den Arbeitgebern bei der Behörde gemeldet wurden, um rund 150 Prozent – so stark wie in keinem anderen Bereich des Gesundheitssektors.

Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, müsse der Beruf des Altenpflegers attraktiver werden, mahnen nun Politiker aller Parteien. Und nennen als Stichworte: bessere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen – und eine veränderte Ausbildung.

Bezahlung: Wer gute Mitarbeiter suche, sagt Gesundheitsminister Rösler, komme nicht weiter, wenn er nur den Mindestlohn zahle. Der liegt seit September 2010 bei einem Stundenlohn von 8,50 Euro im Westen und bei 7,50 Euro im Osten. Auch Elke Ferner, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, hält die Entlohnung für zu gering: „Wer eine Waschmaschine repariert, bekommt mehr Geld als jemand, der unsere Eltern pflegt.“ Laut WSI-Tarifarchiv erhalten Altenpflegehelfer in Deutschland derzeit ein tarifliches Grundgehalt, das in etwa zwischen 1700 und knapp 2300 Euro im Monat liegt. Pfleger, die über eine höhere Qualifikation verfügen, erhalten etwas mehr. Nach Angaben des Arbeitgeberverbands bpa verdient eine Altenpflegerin mit etwas Berufserfahrung ungefähr 2400 Euro brutto im Monat.

Arbeitsbedingungen: Viele Pfleger klagen nicht nur über die starke Arbeitsbelastung und die zunehmende Arbeitsverdichtung, sondern auch darüber, dass belastende seelische Erfahrungen nicht aufgearbeitet werden. Was zur Folge hat, dass Altenpflegekräfte im Durchschnitt acht Jahre in ihrem Beruf bleiben, während Pflegekräfte in Krankenhäusern es auf knapp 14 Jahre bringen. Rösler empfiehlt den Arbeitgebern daher, stärker auf Instrumente wie Supervision zu setzen, die den Betroffenen helfen, Erlebtes zu verarbeiten. Zum anderen will er prüfen, ob Pfleger stärker entlastet werden können, indem Hilfskräfte verstärkt Tätigkeiten übernehmen, die mit der eigentlichen Pflege am Menschen nichts zu tun haben – etwa Papierkram.

Ausbildung: Auch eine längere Ausbildung – die mit anspruchsvolleren Tätigkeiten einhergeht – führt zu einem längeren Verbleib im Job, wie eine Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege von 2009 zeigt. Für die Arbeit in Pflegeberufen gibt es derzeit mehrere Ausbildungswege. Zum einen die in der Regel dreijährigen Ausbildungen für die Bereiche Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege, die Rösler nun gerne stärker miteinander verzahnen will. Seine Argumentation: Wer sich nicht zu frühzeitig spezialisieren müsse, habe es leichter, später einen passenden Arbeitsplatz im Pflegesektor zu finden. Zum anderen gibt es die kürzeren Ausbildungen, die einen schnelleren Berufseinstieg ermöglichen – aber auch mit schlechteren Jobchancen verbunden sind. Inzwischen gibt es auch duale Studiengänge an Hochschulen, die eine Ausbildung mit einem Studium verbinden.

Bei der Suche nach qualifiziertem Personal fordern die Pflegeverbände einerseits eine „Green Card“ für mehr Zuwanderung. Zugleich setzen sie darauf, dass die Arbeitsmarktpolitik ihnen ein Stück weit hilft, im Inland Personal zu finden. So übernahm die Bundesagentur für Arbeit (BA) 2009 und 2010 die Kosten für die dreijährige Umschulung von mehr als 10 000 Arbeitslosen zu Altenpflegern komplett. Finanziert wurde das aus Mitteln des Konjunkturpakets. Ob diese Regelung verlängert wird, soll an diesem Dienstag im Ministerium debattiert werden. Laut BA gab es im November insgesamt 39 900 arbeitslose Altenpfleger (darunter etwa 15 000 Altenpflegehelfer und 11 000 Hilfskräfte), gleichzeitig waren 12 400 Arbeitsstellen für Altenpfleger gemeldet.

Das Problem: Bisher sollten eigentlich die Länder die Kosten für das dritte Umschulungsjahr übernehmen – in der Praxis war das nicht allzu häufig der Fall. Rösler argumentiert außerdem, man dürfe die Arbeitgeber nicht aus der Verantwortung entlassen, ihren Nachwuchs selbst auszubilden. Die SPD-Politikerin Ferner regt daher an, eine Umlagefinanzierung für die Pflegeausbildung einzuführen. „In manchen Bundesländern werden mehr Pflegekräfte ausgebildet, als benötigt werden, andere verlassen sich darauf, dass sie fertig ausgebildete Fachkräfte erhalten.“ Entscheidend sei außerdem, dass es mehr Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung gebe. Derzeit sei es schon wegen der Schichtdienste schwierig, sich berufsbegleitend fortzubilden, sagt die SPD-Sozialexpertin. „Viele können es sich nicht leisten, halbtags zu arbeiten, um Zeit für einen Kurs oder ein Studium zu haben.“

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