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Politik: Pflegeversicherung: Familien am Zug

Lange ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr mit so viel Spannung erwartet worden wie der Spruch der Karlsruher Richter zur Pflegeversicherung an diesem Dienstag. "Es wird sehr, sehr spannend", meint der hessische Sozialrichter Jürgen Borchert, der die Verfassungsbeschwerde einer Familie gegen die seit 1995 bestehende Pflegeversicherung mitverfasst hat.

Lange ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr mit so viel Spannung erwartet worden wie der Spruch der Karlsruher Richter zur Pflegeversicherung an diesem Dienstag. "Es wird sehr, sehr spannend", meint der hessische Sozialrichter Jürgen Borchert, der die Verfassungsbeschwerde einer Familie gegen die seit 1995 bestehende Pflegeversicherung mitverfasst hat. Mehr als 80 Verfassungsbeschwerden gegen die Pflegeversicherung - sie umfasst immerhin 98 Prozent der Bevölkerung - waren in Karlsruhe eingegangen. Sechs davon sind nun Gegenstand des Verfahrens, zu dem die acht Richter ab 10 Uhr im Sitzungssaal des Verfassungsgerichts in Karlsruhe ihr Urteil verkünden.

Worum geht es in dem Verfahren? Die Beschwerdeführer fordern, die Erziehungsleistung von Familien müsse bei der Gestaltung der Beiträge und Prämien für die Familien günstiger zu Buche schlagen. Schon in ihrem so genannten "Trümmerfrauen-Urteil" hatten die Verfassungsrichter die Situation der Familien in den sozialen Sicherungssystemen einer umfassenden Analyse unterzogen und dabei Kindererziehung als "bestandssichernde Leistung" für umlagefinanzierte Systeme stärker berücksichtigt sehen wollen. "Eltern, deren Leistungsfähigkeit deutlich gemindert ist und die zudem wegen ihrer Kinder ein deutlich geringeres Risiko für die teure öffentliche Pflege darstellen, werden nach demselben Beitragssatz zur Kasse gebeten wie kinderlose Personen", kritisiert Borchert. Er erwartet, dass die Richter Änderungen an dem komplizierten Regelwerk der Pflegeversicherung verlangen werden, die der Gesetzgeber innerhalb einer Frist von einigen Jahren umsetzen muss.

Die Bundesregierung argumentiert dagegen, dass Familien mit einem einzigen Beitrag alle Familienmitglieder versichern. Nach den bekannten Zahlen würden Pflegebedürftige mit Kindern zudem nicht häufiger von Familienmitgliedern gepflegt als Kinderlose. Grund dafür ist nach dem Vortrag des Sachverständigen, dass die Pflege ganz überwiegend von den Ehefrauen übernommen wird.

Jedoch gibt es Indizien, dass das Gericht die Pflegeversicherung nicht gänzlich unbeanstandet durchgehen lässt. Nach der öffentlichen Verhandlung im Juli 2000 hat sich das Gericht bis zu der Entscheidung viele Monate Zeit gelassen. Die lange Beratungsdauer zeigt, dass offensichtlich umstrittene Rechtsfragen zu klären waren. Verlangen die Richter Nachbesserungen bei der Pflegeversicherung, könnte das auch finanzielle Konsequenzen haben.

Berichterstatter in dem Verfahren ist der Verfassungsrichter Udo Steiner, der im Ersten Senat auch schon die Feder führte, als das Gericht die Benachteiligung freiwilliger Mitglieder in der Krankenversicherung der Rentner korrigierte und die Schieflage bei den ohne Gegenleistung erhobenen Sozialabgaben auf Weihnachtsgeld beseitigte.

Carsten Germis[Ursula Knapp]

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