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Mehrere Verfahren laufen gegen Starrichter Garzon

© dpa

Pinochets Jäger: Spaniens Star-Richter Baltasar Garzon soll gehen

Er ließ Pinochet festsetzen, untersuchte die spanische Diktaturgeschichte und ermittelt derzeit wegen Guantanamo. Einflussreiche Feinde streben nun die Amtsenthebung des gefürchteten Richters Baltasar Garzon an.

„Ich werde meinen Stuhl nicht räumen“, ruft Baltasar Garzon. Jedenfalls nicht wegen dieser „Herabwürdigung und Hetzjagd“. Er werde sich nicht einschüchtern lassen und weiter „für Gerechtigkeit“ kämpfen. Dann springt der Mann, der 1998 Chiles früheren Gewaltherrscher Augusto Pinochet in London festsetzen ließ, die Stufen zum Eingang des Nationalen Strafgerichts in der spanischen Hauptstadt Madrid hoch. Die Aktenmappe unterm Arm, das Haar streng nach hinten gekämmt, einen Leibwächter auf den Fersen. Seit Jahren muss Spaniens mutigster Untersuchungsrichter, der durch seine Jagd auf Diktatoren, Terroristen und korrupte Politiker weltberühmt wurde, mit Morddrohungen leben.

Nun droht ihm eine ganz neue Gefahr: Einflussreiche Feinde im eigenen Land wollen den unbequemen Strafverfolger per Amtsenthebung erledigen. Sie haben bereits erreicht, dass Spaniens Oberster Gerichtshof gleich drei Ermittlungsverfahren gegen den gefürchteten Jäger Baltasar Garzon eröffnet.

Ermittelt wird etwa, weil der Menschenrechtsverteidiger Garzon es als erster Richter gewagt hatte, Spaniens dunkle Diktaturgeschichte zu untersuchen: Die ungesühnten Verbrechen des rechtsgerichteten Generals Francisco Franco, der Spanien 1936 in einen Bürgerkrieg stürzte und nach seinem Sieg das Land bis 1975 eisern beherrschte. Bis heute sind mehr als 100 000 linke Oppositionelle spurlos verschwunden.

„Amtsanmaßung“ wird Garzon vorgeworfen. Von ultrarechten Gruppen, zu denen die weiter aktive Franco-Partei Falange gehört. Erstaunlich, dass diese Klage der Franco-Erben Gehör im Obersten Gerichtshof fand – was Spaniens sozialdemokratische Regierung wie auch europäische Nachbarn mit Sorge registrieren. Es scheint offensichtlich, dass die Justiz die 35 Jahre zurückliegende Diktatur nicht verdaut und Francos Anhängerschaft noch bedenklichen Einfluss hat.

„Dramatisch“ sei dies für Spaniens Demokratie, in der „die Schatten der Vergangenheit ans Licht kommen“, urteilt Carlos Jimenez Villarejo, lange Zeit als Anti-Korruptionsermittler Kampfgefährte Garzons. Die Treibjagd gegen Garzon zeige die „Macht der Rechtsextremen“ im spanischen Königreich. Auch Spaniens Ministerpräsident Jose Luis Zapatero verteidigt Garzon, lobte dieser Tage dessen „mutige Arbeit“. 60 Menschenrechtsgruppen und 150 Völkerrechtler aus aller Welt schickten eine „Botschaft der Solidarität“ nach Spanien. Sie beklagten die „organisierte Verfolgung“ jenes Mannes, der mit seinen globalen Ermittlungen gegen Tyrannen Rechtsgeschichte schrieb. Die Menschenrechtler kritisieren die „Politisierung der spanischen Justiz“, die auf dem rechten Auge blind sei und es bis heute nicht geschafft habe, die Gräueltaten Francos aufzuarbeiten. Und die sich hinter einer rechtlich fragwürdigen Generalamnestie aus dem Jahr 1977 und einem Pakt des Schweigens verschanze.

Unbeeindruckt führt Garzon derweil seinen Kampf gegen das Unrecht weiter. Gerade ermittelt er gegen die frühere US-Regierung wegen des Folterlagers Guantanamo. Zuvor deckte er ein weites Korruptionsnetz in Spaniens konservativer Volkspartei auf. Sollte der Oberste Gerichtshof tatsächlich Anklage gegen Garzon erheben, droht ihm die Suspendierung; bei Verurteilung gar Berufsverbot.

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