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Piraten: Auf sie mit neuen Paragrafen

Der CDU-Politiker Thomas Kossendey will das Grundgesetz ändern, damit auch die Marine Piraten bekämpfen kann - dabei darf sie das schon.

Berlin - Das Seegebiet um das Horn von Afrika beschäftigt nach Piratenangriffen auf mehrere internationale Handelsschiffe und Privatjachten nun auch den Bundestag. Sicherheitspolitiker ziehen unter anderem eine Ausweitung des Mandats für die internationale Antiterrormission „Operation Enduring Freedom“ (OEF) in Erwägung. So schlägt der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, vor, das Antiterrormandat für den Einsatz gegen Piraten zu erweitern. Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Thomas Kossendey (CDU), fordert für die künftige Bekämpfung der Piraterie eine Grundgesetzänderung. Konkret gehe es dabei um die Änderung der Artikel 35 und 87 a Absatz 2, sagte Kossendey dem Tagesspiegel.

Ende Mai war vor der somalischen Küste der Frachter „MV Lehmann Timber“ einer Lübecker Reederei gekapert worden. An Bord sind 15 Besatzungsmitglieder aus Osteuropa und Asien. Sie sind nicht die Einzigen, die in den vergangenen Monaten im Indischen Ozean vor der afrikanischen Küste in die Hände von Piraten gerieten: 20 Schiffe wurden seit Beginn des Jahres vor Somalias Küste von Seeräubern entführt. Nun ist die „MV Lehmann Timber“ bei weitem nicht das einzige Schiff, das vor dem Golf von Aden verkehrt – der Seeweg, der vom Indischen Ozean ins Rote Meer führt, gehört zu den verkehrsreichsten Schiffsrouten weltweit. Neben zahlreichen Frachtern ist auch eine Vielzahl von Militärschiffen in dem Seegebiet vertreten. So kreuzt auch die deutsche Fregatte „Emden“ derzeit im Rahmen der OEF-Mission vor dem Horn von Afrika und überprüft dort Handelsschiffe. Allerdings können die an Bord befindlichen Soldaten zumindest im Rahmen von OEF nicht gegen Piraten vorgehen: Im derzeitigen deutschen Mandat für die Mission kommt ein solcher Auftrag nicht vor. Bei einem Angriff auf ein Handelsschiff dürfen deutsche Soldaten nur im Rahmen der sogenannten Nothilfe eingreifen oder um sich selbst zu verteidigen.

Käme es in deutschem Hoheitsgewässer zu Piratenübergriffen, wäre nach geltendem Gesetz laut Staatssekretär Kossendey ausschließlich die Bundespolizei zu Gegenmaßnahmen befugt. Laut Artikel 35 des Grundgesetzes kann ein Land aber bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall „Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern“. Ist mehr als das Gebiet eines Landes betroffen, kann die Bundesregierung Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen. Allerdings ist Artikel 35 bislang auf den nationalen Verantwortungsbereich beschränkt – eine Begrenzung, die Kossendey für die Bekämpfung der Piraterie gerne geändert sähe. Da die deutsche Marine im Gegensatz zur Polizei über die geeigneten Mittel für den Kampf gegen Seeräuber verfüge, müsse zudem Artikel 87 a Absatz 2 des Grundgesetzes ergänzt werden. Dort heißt es: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“ „Eine Änderung kann eine klare Grundlage für die bewaffneten Einsätze in nationaler Verantwortung schaffen“, sagte Kossendey. „Dies würde insbesondere für Evakuierungs- und Rettungsmaßnahmen, aber auch für Maßnahmen zur Abwehr terroristischer Bedrohungen, zur Unterbindung von Proliferation von Massenvernichtungswaffen und zum Kampf gegen Piraterie auf hoher See gelten, nach der Streitkräfte außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets nach den Regeln des Völkerrechts eingesetzt werden dürfen.“

Allerdings könnte die deutsche Marine bereits jetzt in internationalen Gewässern gegen Piraten vorgehen: Laut Paragraf 98 des internationalen Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ), das auch Deutschland unterzeichnet hat, sind Kapitäne dazu verpflichtet, „jeder Person, die auf See in Lebensgefahr angetroffen wird, Hilfe zu leisten“. An anderer Stelle des Abkommens heißt es: „Jeder Staat kann auf hoher See oder an jedem Ort, der keiner staatlichen Hoheitsgewalt untersteht, ein Seeräuberschiff oder -Luftfahrzeug aufbringen, die Personen an Bord des Schiffes oder Luftfahrzeugs festnehmen und die dort befindlichen Vermögenswerte beschlagnahmen.“ Zuständig sind dafür laut SRÜ ausschließlich Kriegsschiffe, Militärluftfahrzeuge oder andere Schiffe oder Flugzeuge, „die deutlich als im Staatsdienst stehend gekennzeichnet und als solche erkennbar sind“. Nach dieser Vorgabe könnte also auch ein deutsches Kriegsschiff wie die „Emden“ ein Piratenschiff aufbringen – sofern es sich in internationalen Gewässern, zwölf Seemeilen von der Küste entfernt, befindet.

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