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Platzt der Traum vom Bundestags-Einzug? Die Piraten sorgen sich um ihre Zukunft.

© dpa

Piraten in der Krise: Partei ohne Lautsprecher

Die einen wollen von einer Krise nichts wissen, die anderen sorgen sich dagegen um so mehr um die Zukunft der Partei. Das Niedersachsen-Desaster steckt den Piraten in den Knochen - vor allem denen, die in den Bundestag wollen.

Nach dem desaströsen Abschneiden bei der Niedersachsen-Wahl macht sich die Piratenpartei Sorgen um ihre Zukunft. Einige schieben die Schuld für das schlechte Abschneiden zwar lieber auf wahlweise den Lagerwahlkampf oder die Medien. Aber zumindest die, die derzeit um einen Listenplatz kämpfen und in den Bundestag einziehen wollen sind ernsthaft alarmiert. Zahlreiche Blogeinträge kursieren derzeit. Auch vom Berliner Pirat Enno Lenze. Er will für den Bundestag kandidieren und hat wie viele andere Piraten auch in einem Blog eine Analyse verfasst, was sich ändern müsse. Vor allem verlangt er klare Antworten. „Sind wir links oder rechts? Sind wir für Mindestlohn oder dagegen? Wollen wir Rente mit 60 oder mit 70? Wie wollen wir den Euro retten? Die Schonfrist ist vorbei, wir müssen liefern“, schreibt er.

Nur: Wie schafft man das? Lenzes Forderung: Man müsse das Mitreden lernen. Und: „Niemand interessiert sich für Shitstorms.“ Die Piraten müssten sich effektiver in Debatten einmischen. Vor allem aber müssten sie sichtbarer werden. „Menschen wählen keine Ideen, Menschen wählen Menschen. Das mag einigen Piraten fremd vorkommen, weil sie in ihrer Peergroup festhängen.“

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Jan Hemme. Auch er ist Berliner Pirat, gehört zum engen Kreis um Parteichef Bernd Schlömer und bewirbt sich ebenfalls um einen Listenplatz. Seine Analyse ist recht schonungslos: „Das Debakel in Niedersachsen hat nicht nur gezeigt, dass der seit Herbst 2011 in vier erfolgreichen Landtagswahlen gewährte Haltungs- und Vertrauensvorschuss aufgebraucht ist. Die Wahl hat auch mit der Mär aufgeräumt, dass wir schlechte Umfragewerte jederzeit im Straßenwahlkampf aufholen könnten“, schreibt er in seinem Blog. Das Hauptproblem sei, dass die Menschen nicht wüssten, wofür die Piratenpartei stehe. „Wenn wir nicht in der Lage sind, überzeugende Alternativen zur ,Wir haben alles richtig gemacht’-Politik der traditionellen Parteien zu formulieren und diese in den nächsten sechs Monaten glaubwürdig zu unterfüttern, taumeln wir sehenden Auges in die politische Bedeutungslosigkeit.“

Zu sehr beschäftige sich die Partei mit sich selbst. Gerade Nicht- und Wechselwähler würden Geschlossenheit erwarten und keine „Selbstzerfleischung“. In der Politik werde nur eine Währung akzeptiert: Glaubwürdigkeit. „Und unser Konto ist derzeit ziemlich weit im Dispo.“ Man formuliere zwar hohe Ansprüche für mehr Transparenz in politischen Prozessen, aber man werde denen selbst nicht gerecht. Die Piraten müssten jetzt Schlüsselthemen in den Vordergrund stellen und dazu gehörten das bedingungslose Grundeinkommen, der Umbau des Urheberrechts, Transparenz und Antikorruption sowie Mitbestimmung und Modernisierung der Politik.

Die Parteiführung unter Schlömer und dem Politischen Geschäftsführer Johannes Ponader sieht die Partei wieder auf dem Stand von 2009. Von „Ohrfeige“ und „Watschen“ ist da die Rede. Auf einem Strategietreffen Anfang Februar sollen Konsequenzen besprochen werden. Eine davon soll laut Schlömer ein stärkeres Einmischen in aktuelle Debatten sein. Dafür sollen auch Personen in den Vordergrund gerückt werden, die auch dann sprechfähig sein sollen, wenn der Meinungsbildungsprozess in der Partei noch nicht abgeschlossen ist. Oder, wie es Ponader formuliert: „Wir setzen auf politische Megafone.“

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