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Wohin soll's denn gehen? Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Piratenpartei Bernd Schlömer am Montag bei einer Pressekonferenz in Berlin.

© dpa

Piraten nach der Saarland-Wahl: Koalieren, aber wie?

Nach zwei Wahlerfolgen in Serie stellt sich für die Piraten früher als gedacht die Frage nach möglichen Regierungsbeteiligungen. Die Partei steht vor einem Dilemma.

Es hatte etwas von einem Déjà-Vu: Wie da am Montagnachmittag in der Bundesgeschäftsstelle in der Pflugstraße zum wiederholten Male Männer von der kleinen Piratenpartei einer großen Anzahl von Pressevertretern den Erfolg der Piraten erklären sollten, das erinnerte an die Szenen des letzten Jahres, nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl oder beim Bundesparteitag in Offenbach. Mit vielleicht dem kleinen Unterschied, dass die meisten Antworten des Bundesvorsitzenden Sebastian Nerz, seines Stellvertreters Bernd Schlömer und des Berliner Fraktionschefs Andreas Baum routinierter kamen als noch vor Monaten, einige aber auch spürbar gereizter. Als Sebastian Nerz einen Journalisten merklich genervt dafür rüffelte, ihm einmal mehr die Frage nach der Haltung der Piraten zum Euro-Rettungsschirm zu stellen ("Sie können das noch zwanzigmal fragen, meine Antwort bleibt gleich: Wir haben zu diesem Thema noch keine Position."), da ahnte man, dass es nun langsam weitergehen muss: hin zu Fragen, die mehr als nur das nun hinlänglich erörterte "Wer sind die eigentlich?" behandeln.

Dass zu diesen fortgeschrittenen Fragen zunehmend auch die bei Parteien chronisch unbeliebten nach möglichen Machtoptionen gehören, mussten Nerz und Kollegen an diesem Montag erfahren. Die salomonische Antwort des Bundesvorsitzenden, wonach man grundsätzlich bereit sei, mit allen demokratischen Kräften zusammenzuarbeiten, befriedigte allerdings nur für den Moment. Zu ungeklärt erscheint, inwieweit die radikalen Transparenzbefürworter und Basisdemokraten überhaupt anschlussfähig an die anderen Parteien sind.

Da ist zum Beispiel die kleine, feine Einschränkung in Bezug auf die allgemeine Gesprächsbereitschaft und Koalitionsfreude der Piraten, die Torge Schmidt, Spitzenkandidat der Partei für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein, am selben Tag gegenüber dem Tagesspiegel machte: „Wenn mit uns Gespräche geführt werden sollten, dann nur transparent“, so Schmidt. Kompromisse plant er dabei nicht – Koalitionsverhandlungen ohne audiovisuellen Livestream aus den Verhandlungsräumen würden die Schleswig-Holsteinischen Piraten laut Schmidt dankend ablehnen. Die De-facto-Isolation, die aus diesen für die etablierten Parteien wohl kaum machbaren Vorgaben resultieren, scheint Schmidt, der die Partei wie Nerz mit einem Wort als „sozialliberal“ charakterisiert und ihr diverse potenzielle Koalitionsoptionen bescheinigt, nicht sonderlich zu rühren: „Wir müssen nicht auf Biegen und Brechen an die Macht kommen.“

Joachim Paul, frisch gewählter Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen, ist sich in der Frage möglicher Koalitionsverhandlungen noch nicht so sicher: „Es muss klar sein, wie etwas zustande kommt. Aber viele Köche verderben auch manchmal den Brei“ Daher sei es auch denkbar, Verhandlungen mit einem nachträglichen Dokument zu legitimieren – natürlich nur, wenn die Mitglieder dieses Vorgehen absegnen. Bis diese Fragen spruchreif würden, müsse allerdings noch etwas Zeit vergehen: „Wir sind sicher noch nicht regierungsfähig, wollen aber auch nicht blockieren.“ Immerhin seien die Piraten ja „alles Macher“. Daher gilt: „Es wird mit uns bestimmt thematische Koalitionen geben.“ Verbriefen wird Paul das allerdings nicht – ein einheitliches Abstimmungsverhalten innerhalb der Koalition soll genau wie in Berlin auch in NRW nicht festgelegt werden: „Der oberste Entscheid ist immer der Gewissensentscheid, aber Piraten haben konstruktives Sitzfleisch. Die bleiben so lange zusammen, bis weißer Rauch aufsteigt.“ Dass das möglichen Partnern viel Geduld abverlangt, ist Paul klar: „Das Problem ist uns bewusst, wir arbeiten daran.“ Mit bis dato offenem Ergebnis.

Einen Ausweg aus dem Dilemma der derart mustergültig vorexerzierten Unberechenbarkeit der basisdemokratischen Piraten deutete Andreas Baum, Vorsitzender der Berliner Fraktion, bei der Pressekonferenz am Nachmittag an: Demnach sei es durchaus möglich, im Fraktionsplenum darüber abzustimmen, ob man in bestimmten Fragen zukünftig gemeinsam abstimmen werde. „Bei uns ist es möglich, dass man zu einem gemeinsamen Ergebnis kommt.“ Ersten Regierungsbeteiligungen, die, wie Sebastian Nerz bei gleicher Gelegenheit betonte, „nicht zwingend auf klassischen Koalitionsverträgen“ basieren müssten, wäre damit – auf piratige Art – ein Hintertürchen geöffnet.

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