zum Hauptinhalt
Die Piratin Maria Weisband will nicht für den Bundestag kandidieren.

© dpa

Piraten: Partei ohne Gesicht

Marina Weisband war Hoffnungsträgerin der Piraten, sie war charismatisch und konnte Position beziehen, ohne sich in in innerparteilichen Kämpfen zu verheddern. Sie wird nicht für den Bundestag kandidieren - nicht alle sehen darin einen großen Verlust.

Marina Weisband, einstige Hoffnungsträgerin der Piratenpartei, hat sich dagegen entschieden, für einen Listenplatz zur Bundestagswahl zu kandidieren. Für die Piraten könnte das zum spürbaren Nachteil werden – ist doch Weisband eine der wenigen, wenn nicht die einzige prominente Piratin, auf die sich beinahe alle einigen können in einer Partei, die immer wieder mit massiven internen Querelen auffällt.

Die Piraten hatten auf Weisband gehofft, darauf, dass sie ein bisschen Glanz und vor allem bessere Umfragewerte zurückbringt. Sie hat geschafft, was so bisher kaum einem Piraten gelungen ist: charismatisch aufzutreten, ohne ins Exzentrische abzugleiten, Positionen zu beziehen, ohne sich in innerparteilichen Kämpfen zu verheddern. Eine Zeitlang war sie das Gesicht der Piraten, getragen von einem Medienhype, der ihr selbst unheimlich war.

Im Frühjahr zog sie sich vom Amt der Politischen Geschäftsführerin zurück, viele hofften aber, sie werde als Bundestagskandidatin zurückkehren. Doch dazu wird es nicht kommen.

Auch gesundheitliche Umstände haben zur Entscheidung beigetragen: Körperlich ist Weisband der Belastung, die ein politisches Amt mit sich bringt, nur eingeschränkt gewachsen, ihre Physis ist wenig robust. Als sie stark in der Öffentlichkeit stand, hat sie das bemerkt, bis hin zum körperlichen Zusammenbruch. Auch dass Weisband, die Jüdin ist, antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt war, machte sie seinerzeit öffentlich.

Ganz zurückziehen aus der Politik will sich die einstige Spitzenpiratin auch jetzt nicht. Sie will in der Partei bleiben und im Wahlkampf mitarbeiten – nur nicht in der vordersten Reihe. Stattdessen will sie sich künftig auf die inhaltliche Arbeit in der Bildungspolitik konzentrieren. Mindestens einmal aber könnte Weisband noch im Licht der Öffentlichkeit stehen: im Frühjahr nämlich, wenn ihr Buch erscheint, in dem es um Politik, aber auch um Autobiografisches gehen soll.

In der Partei fallen die Reaktionen nun unterschiedlich aus. Die meisten bedauern den Schritt, aber nicht alle wollen darin einen so großen Verlust sehen. „Mich hat die Entscheidung nicht überrascht, und es ist auch kein großer Schaden für die Partei, weil wir auf Themen statt auf Köpfe setzen“, sagt etwa der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Piraten, Weisbands Landesverband, Sven Sladek.

Auch Parteichef Bernd Schlömer sagt: „Es ist schade, dass Marina Weisband nicht kandidieren wird, aber das persönliche Glück geht immer vor, und das Wohl und Wehe der Piratenpartei hängt nicht von ihr ab.“ Dennoch: Vom Motto „Themen statt Köpfe“ hält Schlömer nicht viel: „Wir brauchen natürlich Köpfe, die die Partei repräsentieren. Die müssen sich profilieren können, und damit transportieren wir auch Themen.“ Eine große Mehrheit der Partei glaubt er in dieser Frage hinter sich.

"Gerade der Punkt der physischen Belastbarkeit wird oft unterschäzt."

Auch diejenigen, die die Piraten seit Jahren beobachten, sehen in Weisbands Verzicht ein Problem für die Partei, so etwa der Göttinger Politikwissenschaftler Stephan Klecha. Er sagt: „Marina Weisband war ein Aushängeschild nach außen, aber auch für die Binnenwirkung sehr wichtig.“ Sie habe es verstanden, das Selbstverständnis der Partei für Außenstehende zu übersetzen, und sie habe gleichzeitig nicht fürchten müssen, intern für ihre Außendarstellung abgestraft zu werden. Druckreif, eloquent und auch ein wenig altklug sei ihr Auftreten gewesen.

Aber gerade der Punkt der physischen Belastbarkeit werde oft unterschätzt. „Um in der Politik bestehen zu können, braucht man eine außerordentliche physische Leistungsfähigkeit, ohne die würden es Typen wie Helmut Kohl oder jetzt auch Angela Merkel gar nicht schaffen.“ Und doch sei Weisbands Verzicht nur „ein Stein im großen Bröckeln des Piratenhypes“.

Dieses Bröckeln aber wird immer mehr zum lauten Grollen. Die Partei stagniert in Umfragen bei rund drei Prozent im Bund. Und auch in Niedersachsen, wo am 20. Januar gewählt wird, sieht es nicht besser aus. Los ging es mit den Querelen um Weisbands Nachfolger Johannes Ponader. Es folgten Rücktritte im Vorstand, Listenprobleme in Niedersachsen, ein Bundesparteitag, der zwar einige Programm-Fragmente beschlossen hat, aber immer dann, wenn es um Kernpunkte ging, in Geschäftsordnungsdebatten ausuferte und am Ende ergebnislos blieb. Kleinere Skandälchen kamen hinzu.

Doch es sind nicht nur diese Einzelereignisse, die das Bild neu geformt haben. Hinzu kommen strukturelle Probleme. Ein Bundesvorstand, der nicht zu offensiv in der Öffentlichkeit auftreten darf. Zahlreiche Mitglieder, die ihren Beitrag nicht zahlen, was die Partei vor finanzielle Probleme stellt.

Und eine Kommunikationskultur, die vor allem nach innen zielt und weniger auf Wähler, gesellschaftliche Gruppen, Verbände oder Vereine. „Das Ende des Hypes hat eingesetzt, weil viele punktuelle Ereignisse zusammenkamen, aber auch weil strukturelle Probleme der Partei offen zutage getreten sind“, sagt auch Klecha. Dennoch sei die Fünfprozenthürde nicht weit weg. Und auch Piratenchef Schlömer gibt sich optimistisch. „Uns wird im kommenden Jahr der Turnaround gelingen, weil wir auch die einzige wirkliche politische Alternative sind.“

Die Frage ist, ob die Wähler das auch so sehen werden. Weisbands Vertrauter Gero Preuhs, der ihren Entschluss am Freitag gegenüber den Medien erklärte, sagt, in den vergangenen Monaten hätten sich besonders viele Sympathisanten, die selbst keine Piraten sind, bei Weisband gemeldet und sie gebeten zu kandidieren. Ob diese Wähler den Piraten auch ohne Weisband ihre Stimme geben? Denkbar, dass sich ihr Rückzug in fehlenden Prozentpunkten bemerkbar machen wird. Ihr Entschluss sei aber endgültig.

Zur Startseite