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Aktivisten am Mittwochabend auf dem Maidan in Kiew

© AFP

Piraten-Politikerin: Marina Weisband warnt vor Rechtsradikalen in der Ukraine

Tagelang twitterte die gebürtige Kiewerin und Piraten-Politikerin Marina Weisband aus Kiew. Jetzt zieht sie eine Bilanz des Umsturzes - und warnt vor der Bedrohung der friedlichen Revolution durch Rechtsradikale.

Von Matthias Meisner

Die aus der Ukraine stammende Piraten-Politikerin Marina Weisband sieht den Nationalismus in ihrem Heimatland als "eines der kompliziertesten Themen des Maidan". In einem Beitrag für die Wochenzeitung "Freitag" warnt Weisband, 1987 in Kiew geboren und 1992 nach Deutschland gekommen, davor, die in ihrem Heimatland von rechten Kräften ausgehende Gefahr zu unterschätzen. Die frühere Politische Geschäftsführerin der Piraten hatte das Geschehen in Kiew tagelang mitverfolgt und über Twitter und auch in zahlreichen Interviews informiert.

"Durch ihre bessere Organisation und durch militantes Vorgehen" hätten rechte Gruppen "die friedliche Revolution tatsächlich schützen können und sich beliebt gemacht", schreibt Weisband. Sie unterscheidet dabei zwischen der rechtsextremistischen Swoboda-Partei und dem Bündnis Rechter Sektor, "die untereinander jeweils verfeindet sind". Beide würden "zahlenmäßig keinen großen Teil" ausmachen, "sind aber sichtbar und gut organisiert". Dazu komme, dass sich viele Ukrainer als Nationalisten bezeichnen. Weisband selbst besitzt neben der deutschen auch die ukrainische Staatsangehörigkeit.

"Die rechten Gruppen stellen insofern ein echtes Bedrohungspotenzial dar, als sie gerade während der Eskalation zu Helden und Beschützern stilisiert werden konnten", meint die Piraten-Politikerin in dem Text. "Dass ihre Ideen jetzt in das Vakuum eindringen, das in der Ukraine entstanden ist, ist eine große Gefahr."

"Russische Staatsmedien nutzen die Präsenz des Rechten Sektors"

Marina Weisband
Marina Weisband

© dpa

Weisband wies darauf hin, dass auf der anderen Seite vor allem russische Staatsmedien die Präsenz des Rechten Sektors genutzt hätten, "um den Protest zu einem Nazi-Staatsstreich zu stilisieren und ihm damit seine Legitimation zu nehmen." Die Medien hätten die Radikalen gezeigt, "aber nicht die Studenten und Studentinnen, Senioren, Muslime, jungen Eltern und Lehrer, die auf auf dem Platz stehen und gestanden haben". Ähnlich angekommen sei die Botschaft im Osten der Ukraine, wo die Menschen im Fernsehen hören würden, "dass ihr Land von einem terroristischen, faschistischen Mob eingenommen wurde".

Aus Sicht von Weisband ergibt sich bei der Bewertung des Einflusses von rechten Kräften bei dem Umsturz ein komplizierter Spagat: "Die Gefahr des Rechten Sektors einerseits zu betonen und andererseits nicht unfreiwilliger Helfer von Propagandakampagnen gegen den Euromaidan zu werden, ist eine der größten Herausforderungen in der Berichterstattung über die Ukraine." An die Abgeordneten des ukrainischen Parlaments appellierte die in Münster lebende Diplompsychologin, diese dürften "nicht den Kontakt zu den Menschen verlieren, die sich sonst weiter radikalisieren und möglicherweise dem Rechten Sektor folgen".

Zum Ende ihres Beitrages im "Freitag" schildert Marina Weisband, selbst Jüdin, ihre Begegnung mit einem Rabbi in Kiew. "Wann wird die Ukraine eine vernünftige Demokratie haben?", habe sie diesen gefragt. Noch 17 Jahre, habe der jüdische Geistliche erstaunlich präzise geantwortet und dabei gelächelt. Denn: "Moses hat uns auch 40 Jahre durch die Wüste geführt, bis der letzte Sklave gestorben war."

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