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Politik: Pistolen für den Staatsbesuch

Drei Islamisten stehen wegen geplanten Attentats auf Iraks Premier vor Gericht

Von Frank Jansen

Es beginnt chaotisch. Bis zum Mittag ist beim Auftakt im Stuttgarter Terrorprozess nicht klar, ob er überhaupt fortgesetzt werden kann. Der Angeklagte Rafik Y. beschwert sich, er habe die Anklageschrift nicht lesen können – weil sie ihm nur in kurdischer Übersetzung vorliege. Auch wenn er kurdisch spreche, könne er Texte nur auf Arabisch lesen, sagt der bleiche Mann mit dem dichten schwarzen Schifferbart. Die zwei Verteidiger des Terrorverdächtigen beantragen, das Verfahren auszusetzen, bis ihr Mandant die Anklage auf Arabisch studiert hat. Das kann dauern angesichts der knapp 100-seitigen Schrift der Bundesanwaltschaft.

Ein Anwalt sagt verärgert, er habe bereits vor einem Jahr eine arabische Übersetzung beantragt. Der 5. Strafsenat des Stuttgarter Oberlandesgerichts (OLG) zieht sich zur Beratung zurück. In dem einer Fabrikhalle ähnelnden Saal des Hochsicherheitsbunkers von Stammheim, wo einst gegen Ulrike Meinhof und weitere furchtbare Heroen des Linksextremismus verhandelt wurde, herrscht Verwirrung.

Der erste Tag im Prozess gegen die drei Iraker Ata R. (32), Mazen H. (24) und Rafik Y. (31) wirkt wie eine Fortsetzung der quälend holprigen Terrorverfahren von Hamburg, wo Freunde der Attentäter des 11. September 2001 vor Gericht standen. In Stuttgart geht es aber nicht um einen Anschlag von Al Qaida, hier müssen sich drei mutmaßliche Mitglieder einer anderen, kaum weniger gefährlichen Organisation des islamistischen Terrors verantworten – der kurdisch-irakischen Ansar al Islam, die im Irak zahllose Attentate verübt hat.

Am Nachmittag lehnt der Senat dann den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ab. Oberstaatsanwältin Silke Ritzert verliest den Anklagesatz. Der schwerste Vorwurf lautet: Die drei Männern hätten Anfang Dezember 2004 den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Ijad Allawi töten wollen. Während Allawi zum Staatsbesuch in Berlin weilte.

Ermittler glauben, der in Berlin lebende Kleinunternehmer Rafik Y. habe geplant, den Premier mit Pistolenschüssen zu ermorden – zwischen 8.30 und 10.30 Uhr am Morgen des 3. Dezember, als Allawi in einem Gebäude der Deutschen Bank im Berliner Bezirk Mitte auftreten sollte. Der in Stuttgart lebende Ata R. und seine rechte Hand, Mazen H. aus Augsburg hätten als führende Angehörige der deutschen Filiale von Ansar al Islam die Genehmigung zum Attentat erteilt, das dann womöglich knapp verhindert wurde. In der Nacht zum 3. Dezember 2004 nahm die Polizei das intensiv observierte Trio auf einen Schlag fest.

Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft wurde damit noch mehr erreicht, als einen Anschlag zu verhindern. Ata R. gilt als Spinne im europäischen Netz von Ansar al Islam, Ermittler sprechen von einem „Rädelsführer“. Von November 2003 an soll er mehr als 70 000 Euro, die als Spenden eingetrieben worden sein sollen, Ansar al Islam zur Verfügung gestellt haben, etwa zur Finanzierung von Selbstmordattentaten. Mazen H. soll sich auch an Geldsammlungen und -transfers beteiligt haben. Rafik Y. soll ebenfalls Spenden besorgt und versucht haben, Kämpfer zu rekrutieren. Parallel zum Stuttgarter Verfahren hat am Dienstag am Münchner OLG der Prozess gegen zwei weitere Iraker begonnen, die als Geldbeschaffer für Ansar al Islam tätig gewesen sein sollen.

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