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Türkei: PKK: Plötzlich kriegsmüde

Die PKK kündigt eine Kampfpause an – zuvor forderte eine Bombenattacke auf eine Pipeline in der Südosttürkei zwei Todesopfer.

Zweieinhalb Monate nach Beginn einer Gewaltwelle mit mehr als hundert Todesopfern will die kurdische Terrororganisation PKK in der Türkei offenbar eine neue befristete Waffenruhe ausrufen. Die Verkündung der Kampfpause wird laut türkischen Medien in den kommenden Tagen erwartet. Dass die Gewalt damit dauerhaft zu Ende geht, ist aber nicht zu erwarten.

Anfang Juni hatte die im Nordirak verschanzte PKK-Führung eine Phase relativer Ruhe beendet und ihre Truppen in der Türkei wieder verstärkt angreifen lassen. Nun riefen die Kurdenpartei BDP und die kurdische Dachorganisation DTK in den vergangenen Tagen zu einem neuen Waffenstillstand auf, an dem sich auch die Armee beteiligen solle. Eine Zeitung meldete, die neue Waffenruhe beginne schon an diesem Donnerstag.

Doch das ist ungewiss. Am Mittwoch fiel das wöchentliche Treffen des inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan mit seinen Anwälten aus. Da Öcalan in der Organisation immer noch eine wichtige Rolle spielt, wird die Waffenruhe möglicherweise erst nach einer Bestätigung durch Öcalan beim nächsten Treffen kommende Woche beginnen.

Kurdenpolitiker sehen die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung als einen Grund für die erwartete PKK-Entscheidung. „Die Leute wollen keine Begräbnisse und keine Toten mehr“, sagte der BDP-Parlamentsabgeordnete Nuri Yaman. Die Tatsache, dass eine PKK-Sprengfalle kürzlich einen Kurdenaktivisten tötete, habe das „Jetzt-reicht’s-Gefühl“ im Kurdengebiet verstärkt, kommentierte die Zeitung „Radikal“. Auch der Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan am Mittwoch spielt laut Yaman eine Rolle – die PKK würde sich mit Gewaltaktionen im heiligen Monat bei gläubigen Kurden unbeliebt machen.

Schon häufiger hatte die PKK zeitlich begrenzte Waffenruhen ausgerufen, wenn es ihr ratsam erschien. Ein genereller Gewaltverzicht war damit aber nie verbunden und ist auch jetzt nicht zu erwarten. Die Kurdenguerrilla will die Waffen erst niederlegen, wenn sie ihr großes Ziel erreicht hat: von Ankara als Gesprächspartner anerkannt zu werden. Zudem werde in der Türkei oft nur unter dem Eindruck von Bomben über eine Lösung des Kurdenkonflikts diskutiert, schrieb der aus dem Kurdengebiet stammende Jurist Mithat Sancar kürzlich in der Zeitung „Taraf“. Leider entstehe so bei vielen Kurden der Eindruck, dass die PKK-Gewalt die politische Debatte befördere.

Nicht zuletzt geht es auch um eine Machtdemonstration der Rebellen: Sie wollen zeigen, dass sie die Türkei an empfindlichen Stellen treffen können – oder es eben bleiben lassen können. Kurz vor der erwarteten Waffenruhe jagte die PKK in Südostanatolien ein Teilstück einer wichtigen Ölpipeline aus dem Irak in die Türkei in die Luft und tötete dabei zwei Menschen. Der Transport des Öls aus der irakischen Region Kirkuk in den türkischen Hafen Ceyhan wurde eingestellt. Durch die Pipeline pumpt der Irak ein Viertel seines für das Ausland bestimmten Öls. Die türkische Armee ist auch ein Vierteljahrhundert nach Beginn des PKK-Aufstandes 1984 nicht imstande, solche Anschläge zu verhindern.

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