zum Hauptinhalt
Imagewechsel. François Hollande versucht, sein schon wenige Monate nach der Wahl ramponiertes Image aufzupolieren. Er präsentiert sich nicht mehr als „normaler“ Präsident, sondern als kämpferischer Staatschef. Foto: Phillipe Wojazer/Reuters

© REUTERS

Politik: Plädoyer für mehr Zeit

Der französische Präsident kündigt Einschnitte an und verspricht Besserung in zwei Jahren.

Zwei Jahre – das ist die Zeit, die Frankreich nach dem Urteil seines Präsidenten François Hollande braucht, um das Schlimmste der Krise zu überwinden. „Dann werden wir darangehen, eine humanere Gesellschaft aufzubauen“, sagte Hollande am Sonntagabend in einem Fernsehinterview. Bis dahin kündigte er den Franzosen eine Rosskur von bisher unbekanntem Ausmaß an. Von den 30 Milliarden Euro, die im Budget für das nächste Jahr fehlen, sollen zehn Milliarden Euro durch die Kürzung von Ausgaben aufgetrieben werden. Weitere zehn Milliarden sollen durch zusätzliche Abgaben großer Unternehmen und die übrigen zehn Milliarden durch neue Steuern auf mittlere und höhere Einkommen hereinkommen. Bis 2013 hofft Hollande so, die Arbeitslosigkeit, die zuletzt die Drei-Millionen-Marke erreichte, im Trend umzukehren, und bis 2014 das Budgetdefizit von jetzt 4,5 auf das Maastricht-Kriterium von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückzuführen.

An diesem Ziel will Hollande festhalten trotz der verschlechterten Aussichten für das Wirtschaftswachstum. Bisher war die Regierung bei der Vorbereitung des Budgets 2013 von einem Zuwachs von einem Prozent ausgegangen. Diese Annahme müsse bei der Vorlage des Haushaltsentwurfs Ende des Monats nach unten revidiert werden, räumte Hollande ein.

Im Einzelnen kündigte der Präsident neben den zusätzlichen Abgaben der Unternehmen und den höheren Steuern für bestimmte Haushalte die Beseitigung von Steuernischen an. An der Einführung einer Reichensteuer hält Hollande trotz Kritik fest. Einkommen über 150 000 Euro sollten künftig mit 45 Prozent besteuert werden. Eher symbolisch dürfte hingegen der geplante Spitzensteuersatz für Millionäre von 75 Prozent sein. Hollande schätzt, dass lediglich 2000 bis 3000 Franzosen unter die Regelung fallen. Diese Steuer werde ohne Ausnahme eingeführt, sagte Hollande. Wenn sich die Situation bessere – „vermutlich in zwei Jahren“ –, werde sie nicht mehr erhoben. Er räumte ein, dass es ihm weniger um das Aufkommen aus dieser Steuer gehe als um die Solidarität. „Franzose zu sein, heißt, zu empfangen und dem Land etwa zurückzugeben. Das ist Patriotismus, jeder muss sich beteiligen“, sagte der Präsident.

Mit den Einschnitten in einem Ausmaß, wie ihn bisher kein Präsident den Franzosen zugemutet hat, trat Hollande den Kritikern entgegen, die ihm vier Monate nach seiner Wahl angesichts der Verschlechterung der wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Lage Frankreichs Unentschlossenheit und Untätigkeit vorwarfen. Neben dem erzkonservativen „Le Figaro“ heizten gleich mehrere Wochenzeitschriften die Stimmung gegen den sozialistischen Präsidenten mit Titelgeschichten über angeblich gebrochene Wahlversprechen an. „Sind sie solche Nullen?“, fragte „Le Nouvel Observateur“, was das regierungstreue Magazin zwar verneinte, womit es aber doch das Klima des Missbehagens im Lager der Linken wiedergab.

Meinungsumfragen signalisierten dem Präsidenten und seinem Premierminister Jean-Marc Ayrault in jüngster Zeit einen rapiden Popularitätsverlust. Nur noch 48 Prozent der Befragten zeigten sich in einer von der Zeitung „Le Parisien“ am Wochenende veröffentlichten Erhebung überzeugt, dass Hollande seine Wahlversprechen halten werde.

In dem Fernsehinterview, das schätzungsweise zehn Millionen Zuschauer verfolgten, erlebten die Franzosen einen Präsidenten, der zugleich erzieherisch und kämpferisch auftrat. Wie sein Vorbild, der frühere sozialistische Präsident François Mitterrand, plädierte Hollande im Kampf gegen die Krise, die hohe Arbeitslosigkeit und die „historische Verschuldung“ für Zeit. Als Präsident gebe er zwar die Richtung und den Rhythmus der notwendigen Reformen vor, sagte er. „In vier Monaten kann ich nicht das tun, was meine Vorgänger in fünf oder zehn Jahren versäumt haben“, verteidigte er sich. Doch als Ergebnis der „Agenda der Wiederaufrichtung“ Frankreichs, die er unter Anlehnung an die Agenda 2010 des früheren deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder fixiert habe, erwarte er, dass die Franzosen am Ende seiner Amtszeit 2017 sagen können, ihnen gehe es besser als heute. Martine Aubry, die Parteichefin der Sozialisten, lobte Hollandes Interview als „mobilisierend“. Die rechte Opposition warf dem Präsidenten vor, „keine Vision“ zu haben.

Zur Startseite