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Viele haben Zweifel: Sollte eine Behörde entscheiden, was wahr ist und was nicht?

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Pläne aus dem Innenministerium: Eine Behörde gegen Fake News

Vor dem Bundestagswahljahr 2017 fürchten Politiker Manipulation durch Social Bots und Fake News. Das Innenministerium schlägt jetzt offenbar ein "Abwehrzentrum gegen Desinformation" vor.

Am Ende fielen sogar Schüsse. Immer wieder war während des US-Wahlkampfs im Internet zu lesen, Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton sei in einen Kinderpornoring verwickelt. Dieser operiere vom Keller einer Washingtoner Pizzeria aus. Schließlich stürmte ein Mann das Lokal und schoss um sich, bevor er sich schließlich festnehmen ließ. Viele andere nahmen die Falschinformation unter dem Hashtag #Pizzagate für bare Münze.

Im Bundesinnenministerium befürchtet man, dass der Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr in ähnlicher Weise durch die gezielte Verbreitung von Fehlinformationen in den sozialen Netzwerken beeinflusst werden könnte. Dem „Spiegel“ zufolge plädieren Beamte aus dem Hause von Thomas de Maizière in einem internen Papier dafür, ein „Abwehrzentrum gegen Desinformation“ einzurichten. Dieses solle im Bundespresseamt, der Behörde von Regierungssprecher Steffen Seibert, angesiedelt werden. „Mit Blick auf die Bundestagswahl“ müsse man schnell handeln.

Geht von Russland eine Gefahr aus?

Seit der US-Präsidentschaftswahl wird intensiv darüber debattiert, wie mit großen Zahlen sogenannter Fake News umzugehen ist, die in den sozialen Netzwerken kursieren. Auch Social Bots, die im US-Wahlkampf intensiv eingesetzt wurden, könnten zur Bedrohung werden in einer Zeit, in der sich viele hauptsächlich über die sozialen Netzwerke informieren. Die kleinen Programme tarnen sich als echte User und können gezielt Propaganda verbreiten, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Vor allem von Russland geht nach Ansichten von Experten eine Gefahr aus – die CIA ist sich inzwischen sicher, dass Russland zugunsten von Trump in den US-Wahlkampf eingegriffen hat.

Das „Abwehrzentrum gegen Desinformation“ sollte, wenn es nach den Verfassern des Papiers geht, auch die Medienkompetenz der Bevölkerung stärken – besonders von Gruppen, die anfällig für ausländische Propaganda sind. Dazu zählen in den Augen von de Maizières Beamten Russlanddeutsche. Diese waren nach dem „Fall Lisa“ zu Hunderten auf die Straße gegangen, nachdem im Internet Falschmeldungen über eine Vergewaltigung des Mädchens kursierten. Nach Angaben des „Spiegel“ sollen außerdem von den Betreibern der Netzwerke „Beiträge zur Lösung des Problems eingefordert“ werden, etwa die Zusage zur „Löschung erkannter Falschmeldungen“, die „Verbreitung von Richtigstellungen“.

Erst Tage später gelöscht

Die sozialen Netzwerke reagieren derzeit nur langsam, wenn ihnen Fake News gemeldet werden. Zuletzt bekam das Renate Künast zu spüren. Auf Facebook war ein angebliches Zitat von ihr aufgetaucht, für das als Quelle „Süddeutsche Zeitung“ angegeben worden war. Über den Mord an der Studentin Maria und die Festnahme eines Verdächtigen in Freiburg soll Künast gesagt haben: „Der traumatisierte junge Flüchtling hat zwar getötet, man muss ihm aber jetzt trotzdem helfen.“ Doch Künast hatte sich nie so geäußert, es stand auch nicht in der Zeitung. Trotz der eindeutigen Sachlage dauerte es gut drei Tage, bis der Eintrag von Facebook gelöscht wurde. Künast stellte Strafanzeige.

Justizminister Heiko Maas (SPD) hat nun die Ermittlungsbehörden und Gerichte aufgefordert, die verleumderische Verbreitung von Falschnachrichten hart zu ahnden. „Verleumdung und üble Nachrede sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das muss die Justiz auch im Netz konsequent verfolgen“, sagte er. Bei übler Nachrede und Verleumdung einer Person des öffentlichen Lebens drohten bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. „Den rechtlichen Rahmen sollten wir konsequent ausschöpfen.“ Auch über Strafen gegen soziale Netzwerke denkt Maas nach, falls diese verleumderische Botschaften und Hasspostings nicht schnell löschen. „Natürlich müssen wir am Ende auch über Bußgelder nachdenken, wenn andere Maßnahmen nicht greifen.“

"Das riecht nach Zensur"

In der Union verlangt man ebenfalls Strafen. Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) sprach von einer „großen Bedrohung der Demokratie“. Konkret befürchtet man in CDU und CSU eine von Moskau aus gesteuerte Desinformationskampagne mit dem Ziel der Abwahl von Kanzlerin Angela Merkel.

Das vom Innenministerium vorgeschlagene Abwehrzentrum stößt aber nicht überall auf positive Resonanz. „Das riecht nach Zensur“, sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall, zur Nachrichtenagentur dpa. Eine Behörde dürfe nicht darüber entscheiden, was wahr oder unwahr sei.

Das Innenministerium kommentiert diese Pläne allerdings nicht, da es sich um ein internes Papier handelt, aus dem der „Spiegel“ zitiert. Und auch aus dem Bundespresseamt war am Freitag keine Stellungnahme zu bekommen.

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