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Die Bundeswehr ist 25 Jahre kontinuierlich geschrumpft, jetzt wird sie wieder um tausende Soldaten vergrößert.

© Jens Wolf/dpa

Pläne zur Bundeswehr: Schluss mit Schrumpfen

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will die Bundeswehr um tausende Stellen aufstocken. Doch schon jetzt fehlen Berufs- und Zeitsoldaten.

Von Robert Birnbaum

Die Bundeswehr hat von ihren wechselnden Führungen schon einiges verordnet bekommen in den letzten Jahrzehnten: von der Entdeckung der Betriebswirtschaft über den Umbau zur hochmobilen Einsatztruppe bis zur Wiederauferstehung der gepanzerten Verteidigungsarmee – von einem „strategischen Personalbedarfsberechnungssystem“ ahnte sie bisher indessen noch nichts.

Hinter dem Wortungetüm aus dem Neusprechzoo der Unternehmensberaterbranche versteckt sich die jüngste Idee aus dem Hause Ursula von der Leyens. Die Verteidigungsministerin will die Personalobergrenze der Armee abschaffen und ein flexibles Plansoll einführen – und zwar ein höheres als die bisher angestrebten 241 000 Militärs und Zivilisten.

Von einer „Trendwende“ nach 25 Jahren Personalabbau seit dem Fall des Eisernen Vorhangs spricht Leyen am Dienstag in Berlin. „Wir müssen wegkommen von einem Prozess des permanenten Schrumpfens und Kleinerwerdens der Bundeswehr, weg von den starren Obergrenzen, hin zu einem atmenden Personalkörper.“ Konkret soll dessen Brustumfang in den nächsten sieben Jahren, also bis 2023, um rund neue 7000 Stellen anschwellen. Weitere etwa 5000 Soldaten und Zivil-Mitarbeiter sollen in dieser Zeit durch „Binnenoptimierung“ aktiviert werden. Das macht zusammen 12.000 Männer und Frauen, die in sieben Jahren zusätzlich für den aktiven Dienst zur Verfügung stehen sollen.

Flexibilität statt starre Obergrenze

Der Clou an dieser Zahl ist, dass es sich nicht einfach um eine neue Obergrenze handeln soll. Die Idee des „atmenden Personalkörpers“ basiert grob gesagt darauf, dass sich die Militärführung wünschen darf, was sie an Personal für die absehbaren Aufgaben braucht. Einmal im Jahr gleicht dann eine Spitzenrunde mit der Ministerin das Wünschenswerte gegen das mutmaßlich Erreichbare ab und legt ein jeweils neues Sieben-Jahre-Soll fest.

„Die bisherige Obergrenze vermittelt den fatalen, falschen Eindruck: Das ist auch der Bedarf“, sagt ein Spitzenministerialer. Ab jetzt werde man den Bedarf flexibel an den Aufgaben bemessen. Das klingt logisch, hat allerdings allerlei Haken. Zum Beispiel wünschen sich Leyens Personalbedarfsberechnungssystemmanager eigentlich 14 300 Aktive mehr. Aber dass sich die alle finden, glauben sie selber nicht. Ehrlicherweise, heißt es in der Hausführung, müsse man deshalb – Stand heute – mit einer Lücke von 2400 Stellen rechnen.

Tatsächlich steht und fällt das Projekt damit, dass die Bundeswehr die Leute kriegt, die sie gerne hätte. Das klappt schon heute nicht immer, und es wird bei sinkenden Geburtenzahlen nicht leichter. Aktuell fehlen 2700 Berufs- und Zeitsoldaten; der Mangel an Ärzten im Einsatz und anderen Spezialisten ist schon notorisch.

Flexi-Rente für Frühpensionäre

Einen Teil dieses Fehlbedarfs wollen Leyens Planer aus dem Personalbestand decken. So soll es vor allem für die Frühpensionäre eine Art Flexi-Rente geben – das Angebot, freiwillig länger zu bleiben. Ausscheidende, die in den letzten zwei Dienstjahren den Berufsförderungsdienst für den Job danach in Anspruch nehmen, sollen ebenfalls freiwillig zwei Jahre länger Dienst schieben und die Weiterbildung danach absolvieren dürfen.

Die erste Resonanz sei „größer als erwartet“, sagen sie im Ministerium, rücken freilich mit konkreten Zahlen nicht raus. Zudem soll die Reserve leicht wachsen und es soll mehr Posten für freiwillig Wehrdienstleistende geben, die nicht bloß unattraktive Hilfsdienste sind, sondern zum Bleiben anreizen.

90 Millionen Euro im ersten Jahr

Finanziell wäre der Aufwuchs kein großes Problem. Im Ministerium kalkulieren sie mit 90 Millionen Euro plus im ersten Jahr und einem Anstieg der Personalkosten um drei Prozent bis 2020. Aber der Gesamtfinanzbedarf für das Projekt könnte durchaus noch steigen. Lassen sich unter den Bewerbern die Gewünschten nicht finden, müsste Geld in Werbung und Attraktivitätsmaßnahmen fließen.

Oder man lässt den „atmenden Personalkörper“ kurzerhand wieder ausatmen: „Selbstverständlich“ gelte die neue Flexibilität „nach oben und nach unten“.

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