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Update

Plagiat-Entdecker Fischer-Lescano: "Guttenberg hat systematisch getäuscht"

Der Bremer Juraprofessor Fischer-Lescano rügt die Uni Bayreuth für den ungeprüften Titelentzug. Bundestagspräsident Lammert sieht die Übernahme von Bundestagsgutachten in Guttenbergs Dissertation deprimierend eindeutig.

Der Bremer Juraprofessor und Plagiat-Entdecker Andreas Fischer-Lescano hat nach der Rücknahme des Doktortitels von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) seine Kritik an der Arbeit verschärft und macht jetzt auch der Universität Bayreuth Vorwürfe: „Guttenberg hat systematisch verschleiert, plagiiert und getäuscht. Den Vorsatz kann man bei diesem intellektuellen Betrug dann im Grunde nur noch dadurch verneinen, dass man den Autor für unzurechnungsfähig erklärt“, sagte Fischer-Lescano dem Tagesspiegel am Donnerstag. Tags zuvor hatte die Uni den Titel ohne nähere Prüfung aberkannt, weil die Quellen der Dissertation nicht vollständig angegeben worden seien. Damit sei der Verwaltungsakt rechtswidrig und könne zurückgenommen werden. Uni-Präsident Rüdiger Bormann sagte am Donnerstag, das Selbstkontroll-Gremium für wissenschaftliches Fehlverhalten an der Uni prüfe nun, ob Guttenberg die Promotionskommission getäuscht habe.

Diese Kommission habe sich um die Wertung der Täuschung herumgedrückt, kritisierte Fischer-Lescano. Die Uni habe mit der Rücknahme des Titels nach allgemeinem Verwaltungsrecht statt nach der speziellen und deshalb einschlägigen Promotionsordnung einen „rechtlichen Umweg genommen, um es unterlassen zu können, alle relevanten Gesichtspunkte und damit auch den Täuschungsvorwurf gegeneinander abzuwägen. Der Amtsermittlungsgrundsatz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Vorgehens hätten aber genau dies geboten.“ Ein nachträglicher Entzug des Titels ist laut Promotionsordnung nur möglich, wenn eine „Täuschung“ vorliegt. Der von der Uni gewählte Weg sei „rechtlicher Unfug und entspricht darum auch nicht der gerichtlichen Praxis“ beim Titelentzug.

Günter Frankenberg, Verfassungsrechtler der Universität Frankfurt am Main, sagte, die Uni habe „ein schwaches Bild abgegeben. Die Kommission hat ein mildes Urteil gefällt, nahezu ganz im Sinne Guttenbergs. Das Wort Täuschung taucht nirgends auf – und das ist feige.“ Alles spreche dafür, „dass es sich hier um Täuschung ersten Ranges handele, das hätte die Universität prüfen und feststellen müssen.“ Frankenberg sieht auch die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisch. „Dass sie sagt, sie habe keinen wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt, ist eine für eine ehemalige Wissenschaftlerin unverzeihlich törichte Aussage.“ Ähnlich sieht es sein Kollege Hans Herbert von Arnim von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaft in Speyer. Auch er erkennt einen „klaren und krassen Regelverstoß“ von Guttenberg. Der politische Umgang mit dieser Affäre werfe einen „schweren Schatten“ auf die Wissenschaft. „Angela Merkel unterstützt diesen Verstoß gegen Recht und Gesetz, weil es ihr nicht um die Sache geht, sondern schlicht um ihren Machterhalt.“ Von Arnim sieht die Gefahr, „dass unser Rechtsverständnis und unsere politische Kultur an diesem Vorfall großen Schaden nimmt.“

Der Ältestenrat des Bundestages vertagte am Donnerstag mit den Stimmen von Union und FDP einen Antrag der SPD auf Überprüfung von Guttenbergs Doktorarbeit. Die Opposition will wissen, ob der Minister bei der Verwendung von Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes gegen die Richtlinien des Parlaments verstoßen hat. Guttenberg hatte am Mittwoch im Bundestag erklärt, es seien „vier Ausarbeitungen“ als Primärquelle in die Arbeit eingeflossen. Diese habe er ausdrücklich und transparent auch als Quellen genannt.

Der Umgang mit Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste ist von der Bundestagsverwaltung genau geregelt. In zwei Schreiben an alle Abgeordneten vom 3. September 2010 weisen Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sowie der Leiter der Abteilung für Wissenschaft und Außenbeziehungen noch einmal darauf hin, dass die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste nur mit Zustimmung des Bundestags verbreitet werden dürfen.

Nach Tagesspiegel-Informationen hat Guttenberg sechs Texte des Dienstes für seine Doktorarbeit verwendet, ohne sich dies genehmigen zu lassen. Dies bestätigte Lammert nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung des Ältestenrates. Die Übernahme der Texte in die Doktorarbeit sei „deprimierend eindeutig“, wurde Lammert zitiert.

An der Universität Bayreuth herrschte am Donnerstag spürbare Erleichterung, dass die Promotionskommission Guttenberg den Titel so schnell aberkannte. „Unter den gegebenen Umständen war das die beste Lösung“, sagte Dieter Brüggemann, Dekan der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften. Zwar habe die Universität durch den Fall natürlich Schaden genommen. Positiv sei aber, dass die Uni „nichts vertuscht hat und zügig gehandelt hat“. Eine Einschätzung, die auch der Dekan der Kulturwissenschaftlichen Fakultät, Ludger Körntgen, teilt. Körntgen legt gleichwohl besonderen Wert darauf, dass die Universität jetzt nicht zur Tagesordnung übergeht und den Fall als abgeschlossen betrachtet. Gerade die weitere Prüfung im Rahmen der Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft sei für die Universität sehr wichtig, sagte Körntgen. Die Universität müsse klarstellen, dass die Aberkennung eines Doktorgrades schwerer wiegt, als es bisher in der Öffentlichkeit kommuniziert wird.“ Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass „alles halb so wild“ sei. Das sei man allein schon allen ehrlichen Doktoranden schuldig, „die den größten Schaden haben“, wenn sich der falsche Eindruck verfestige, dass Plagiate gang und gäbe seien, wie Brüggemann sagte.

Ein anderer Professor, der nicht namentlich genannt werden will, fordert, es müsse auch aufgeklärt werden, wie es überhaupt zu dem Fall kommen konnte. Zwar richte sich der Ärger vor allem gegen den Kandidaten. „Es stellen sich bei so eklatanten Verstößen aber auch Fragen an die Gutachter.“ has/neu/tiw/ctr

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