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Nachdem er einen Großteil der politischen Berichterstatter von seiner Erklärung ausgeschlossen hatte, entschuldigte sich Verteidigungsminister Guttenberg bei den Journalisten.

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Update

Plagiatsvorwürfe: Verlag zieht Guttenbergs Doktorarbeit zurück

Trotz der Plagiatsvorwürfe behält Verteidigungsminister Guttenberg seinen Regierungsposten. Auf seinen Doktortitel legt er hingegen derzeit wenig Wert - ebenso wie auf ein gutes Verhältnis zu Hauptstadt-Journalisten.

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Schnelle Reaktion: Auf der Internetseite von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist am Freitagmittag der Doktortitel zügig entfernt worden. Noch um 12.20 Uhr war die "Willkommen"-Seite mit "Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg" überschrieben. Gegen 12.45 Uhr war der "Dr." bereits verschwunden.

Der CSU-Politiker hatte zuvor öffentlich Fehler bei seiner Dissertation eingeräumt und angekündigt, den Doktortitel bis zum Abschluss der Untersuchungen durch die Universität Bayreuth nicht mehr führen zu wollen. Guttenberg soll in seiner Dissertation zahlreiche fremde Textstellen ohne korrekte Quellenangabe verwendet haben.

Ebenso schnell wie Guttenberg selbst reagierte der Berliner Verlag Duncker & Humblot. Er bietet die umstrittene Doktorarbeit des Verteidigungsministers nicht mehr an. Das Haus hat die elektronische Variante der Dissertation aus seinem Angebot genommen, bestätigte Verleger Norbert Simon am Freitag. Die gedruckte Auflage von rund 400 Exemplaren sei zudem ausverkauft. Weil Guttenberg seinen Doktortitel während der Prüfung seiner Arbeit durch die Universität Bayreuth nicht mehr führen wolle, biete der Verlag die Dissertation vorerst nicht mehr an, erklärte Simon. Ob es eine Neuauflage geben werde, sei derzeit nicht absehbar.

Bei seiner Erklärung am Freitag hatte Guttenberg einen Großteil der deutschen Medien ausgeschlossen. Der Minister habe "ausgewählte Medienvertreter" ins Verteidigungsministerium gelassen, teilte sein Sprecher Steffen Moritz mit. Die Hauptstadtpresse saß gleichzeitig in der Bundespressekonferenz. Deren Vorsitzender Werner Gößling rügte das Verfahren. Guttenberg entschuldigte sich später.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekundet trotz der Affäre um die Doktorarbeit "volles Vertrauen" in ihren Verteidigungsminister. Das sei ein Ergebnis des Gesprächs der beiden am späten Donnerstagabend im Kanzleramt, verlautete am Freitag in Berlin.

Der Druck auf den Minister ist nach wie vor hoch: Von der Opposition gab es wegen des Vorwurfs, seine Dissertation weise Plagiatspassagen auf, Rücktrittsforderungen. Und die Internetgemeinde fühlt sich herausgefordert, weitere verdächtige Textstellen zu finden.

Worauf beziehen sich die neuen, weitergehenden Vorwürfe?
Im Internet waren am Donnerstag mittlerweile 25 Seiten der 475 Seiten starken Arbeit mit der Anmerkung markiert worden, dort sei nicht wissenschaftlich korrekt zitiert worden. „Spiegel online“ berichtete, Guttenberg habe auf Seite 38 auch vier Sätze von der Internetseite der US-Botschaft über die Entstehungsgeschichte der US-Verfassung übernommen. Eine Fußnote zur Website der Botschaft finde sich erst auf Seite 217 in anderem Zusammenhang. Außerdem habe er auf den Seiten 326 und 327 mehrere Absätze eines im Internet veröffentlichten Textes des CDU-Europaabgeordneten Andreas Schwab über den europäischen Föderalismus ohne Zitatkennzeichnung abgeschrieben. Im hinteren Teil der Arbeit habe Guttenberg zudem Teile einer Festrede des Verfassungsjuristen Gerhard Casper auf das 50-jährige Bestehen des Bundesverfassungsgerichts von 2001 übernommen, ohne sie entsprechend zu kennzeichnen. Auch eine Textpassage aus einem Aufsatz des CDU-Politikers und Staatsrechtlers Rupert Scholz finde sich auf Seite 313 der Dissertation wieder.

Wie geht die Universität Bayreuth mit dem Fall weiter um?
An der Bayreuther Uni erhielt Guttenberg für seine Dissertation im Jahr 2007 die Bestnote summa cum laude. Viele fragen sich angesichts der Plagiatsvorwürfe, wie das sein kann. Deshalb bemüht sich die Universität nun, im Umgang mit der Prüfung des Falles keinen Fehler zu machen. So soll Guttenberg sich innerhalb von zwei Wochen gegenüber der Uni zu dem Vorwurf äußern, er habe Teile seiner Doktorarbeit abgeschrieben. Guttenberg sei in einem Brief darauf hingewiesen worden, dass er etwa 14 Tage Zeit für eine schriftliche Stellungnahme habe, sagte ein Universitätssprecher am Donnerstag. Die Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft der Universität werde anschließend erneut zusammenkommen und über das weitere Vorgehen beraten. Außerdem teilte man mit, Guttenbergs Doktorvater, der emeritierte und vielfach ausgezeichnete Verfassungsrechtler Peter Häberle, gehöre nicht der Prüfungskommission an. Ob Guttenberg der Doktortitel aberkannt wird, darüber entscheidet letztlich die Promotionskommission an der Universität – von sich aus kann der Minister den Titel nicht zurückgeben.

Wie werden die Vorwürfe von Professorenseite bewertet?
Dass bei Teilen der Arbeit Guttenbergs "offensichtlich ein Plagiat vorliegt", diese Meinung vertritt auch der Jurist Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes, der konservativen Standesvertretung der Universitätsprofessoren. Es sei aber ausschließlich Aufgabe der Uni Bayreuth darüber zu entscheiden, ob das vorliegende Material ausreiche, um Guttenberg den Doktortitel abzuerkennen. Entscheidend sei zu prüfen, ob Guttenberg vorsätzlich gehandelt habe und ob „tragende Passagen“ der Arbeit betroffen seien. „Eigenartig“ sei, wenn Teile der Einleitung aus nicht gekennzeichneten fremden Artikeln stammten, sagt Hartmer. Die Einleitung und noch mehr das abschließende Fazit seien Kernteile einer Arbeit, in denen der Autor die wissenschaftliche Essenz seines Werkes ausbreite. Dass die Aufdeckung des Falles durch den Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano allein politisch motiviert gewesen sei, will Hartmer nicht gelten lassen. Jenseits aller politischen Implikationen sei es eine „ethische Verpflichtung“ für jeden Wissenschaftler, ein Prüfverfahren zu initiieren, sollten ihm solche Ungereimtheiten wie in Guttenbergs Arbeit auffallen.
Alexander Blankenagel, Jura-Professor an der Humboldt-Universität, sagt dagegen, die bisher bekannt gewordenen Stellen zeugten zwar von einer „ziemlichen Schlamperei“ Guttenbergs. Sollte es aber dabei bleiben, dass von über 400 Seiten zusammengenommen nur einige betroffen seien, könne man seiner Meinung nach Guttenberg eine eigenständige wissenschaftliche Leistung nicht absprechen. Blankenagel hat selbst bei Guttenbergs Doktorvater Häberle habilitiert. Häberle sei bekannt dafür, dass er Doktoranden nur übernehme, wenn er sie zuvor länger wissenschaftlich beobachtet und für gut befunden habe, sagt Blankenagel.

Welchen Status hat der Doktortitel heute noch in Deutschland?
Ein Doktortitel hebt noch immer das gesellschaftliche Ansehen. Oft hilft er bei der Karriere: Laut einer Vermögensstudie verdienen Wirtschaftswissenschaftler oder Juristen mit dem Titel monatlich 500 Euro mehr als die Kollegen ohne Titel. In manchen Bereichen, vor allem in der Medizin, gehört er nachgerade zur Pflicht, wenn man ein einigermaßen gutes Standing im Beruf haben will.
Dass der Doktortitel begehrt ist, zeigt sich auch an anderen spektakulären Betrugsfällen. Aufsehen erregten vor anderthalb Jahren die Vorwürfe gegen ein Institut, 100 Professoren Geld gezahlt zu haben, damit diese ungeeignete Promotionskandidaten annehmen. Im Internet bieten auch zahlreiche Ghostwriter ihre Dienste an, was wissenschaftlich ebenfalls nicht erlaubt ist. Die Zahl der jährlichen Promotionen bleibt in Deutschland übrigens konstant: Im Jahr 2009 gab es 25000 Promotionen, genauso viele wie im Jahr 2005.

Wie kann man einem Plagiator auf die Schliche kommen?
In den vergangenen Jahren hat sich um die Plagiatserkennungssoftware ein ganzer Industriezweig entwickelt. Doch was als Lösung für Unis und Schulen im Kampf gegen Plagiate erscheint, taugt nach Meinung von Debora Weber-Wulff nichts. Die Plagiatsforscherin ist Professorin für Medieninformatik an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft. Sie setzt auf die gleiche Methode wie der Bremer Juraprofessor Fischer-Lescano: Plagiate per Suchmaschine finden. „Drei bis fünf Suchbegriffe reichen meist aus, um einen Verdacht zu begründen.“ Plagiiert wird aber nicht mehr nur an Unis. Josef Kraus, Präsident des deutschen Lehrerverbandes, sagt, das Problem habe dank des Internets längst die Schulen erreicht. Üblicherweise würden Referate oder Schularbeiten, die nur auf Wikipedia basierten, von den Lehrern abgelehnt. Einen Schüler deswegen von der Schule zu verweisen, sei aber nicht angemessen. Ihm sei ein solcher Fall nicht bekannt. Ein Schüler des bayerischen Gymnasiums, das Kraus leitet, hat einmal gegen eine Sechs geklagt, die ein Lehrer ihm wegen vermuteten Plagiats gegeben hatte. Die Schule bekam in erster und zweiter Instanz Recht. (mit dpa)

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