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Politik: Plan B der Generäle

Ägyptens Militär rechnet mit Widerstand, wenn sein Kandidat zum Sieger erklärt wird – und baut vor.

Ägypten hält den Atem an. Gleichsam über Nacht hat sich das Land gewandelt in ein Gemenge aus ängstlichen oder ärgerlichen Gesichtern. „Wir erleben die wichtigsten 48 Stunden unserer Geschichte“, schreibt die staatliche Zeitung „Al Ahram“. Seit die Hohe Wahlkommission bekannt gab, die Ergebnisse der Präsidentenwahl würden nicht am Donnerstag, sondern erst in einigen Tagen bekannt gegeben, schwirrt Kairo vor Gerüchten wie seit den 18 historischen Tagen vor Mubaraks Sturz nicht mehr. Die Kommission brauche mehr Zeit, die knapp 400 Einwände aus den Lagern der Kontrahenten Mohamed Mursi und Ahmed Schafik zu prüfen, hieß es offiziell.

In Wirklichkeit aber könnte es darum gehen, mehr Zeit für juristische Manöver hinter den Kulissen zu gewinnen, um Ex-Premier Ahmed Schafik trotz geringerer Stimmenzahl doch noch in den Sattel zu heben. Ein Sieger Schafik würde Ägypten zunächst schwere innere Turbulenzen bescheren, gleichzeitig aber die vom Obersten Militärrat betriebene politische Schubumkehr unangreifbar machen.

In den vergangenen Tagen hatten sich die Generäle bereits in einer Serie von Dekreten die Gesetzgebungsvollmacht des zuvor aufgelösten Parlaments, die Hoheit über den Staatshaushalt, die Kontrolle über die Sicherheitskräfte und die Kontrolle über die Ausarbeitung der Verfassung verschafft. Damit verlängert sich die Übergangsphase von der Armee auf eine zivile Führung auf unabsehbare Zeit, mindestens jedoch bis Ende 2013. Gleichzeitig wurden die Kompetenzen des neuen Präsidenten von vorneherein drastisch beschnitten. Selbst ein uniformierter Büroleiter des Staatschefs wurde bereits abkommandiert, noch bevor überhaupt klar ist, wer der neue Hausherr im Präsidentenpalast von Heliopolis sein wird.

Nach den inzwischen publizierten inoffiziellen Ergebnissen der 27 Wahlbezirke jedenfalls liegt Muslimbruder Mohamed Mursi mit 900 000 Stimmen vor Ex-General Ahmed Schafik. Doch Schafiks Mitstreiter behaupten, die Muslimbrüder hätten aus der zentralen Druckerei eine Million Wahlzettel beiseitegeschafft. Umgekehrt will das Mursi-Lager Beweise haben, dass zehntausende Polizisten und Soldaten in Zivil mit gewählt haben, die von der Stimmabgabe ausgeschlossen sind. Auffällig jedenfalls ist die relativ hohe Wahlbeteiligung. Bei der ersten Runde vor vier Wochen, als lange Schlangen vor den Lokalen warteten, lag sie offiziell bei 43,4 Prozent. Bei der Stichwahl nun mit ihrem zögernden Zulauf soll sie deutlich über 50 Prozent gelegen haben. Zudem fehlen in den Statistiken die ungültigen Stimmen, obwohl viele Gruppen zu dieser Art Boykott aufgerufen hatten.

Die Armee jedenfalls habe bereits einen „Plan B“, berichten ägyptische Medien. Sollte Schafik zum Präsidenten ernannt werden, rechnen die Militärplaner mit einer „Welle schwerer Unruhen“. Alle notwendigen Vorkehrungen würden getroffen, um öffentliche Gebäude und Polizeistationen zu schützen, hieß es. Am Abend meldete Al Ahram, es könnte zu einer Wiederholung der Stichwahl kommen: In mehr als 100 Wahlbezirken sei gefälscht worden. mit dpa

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