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Schäuble verfolgt die Idee eines Europas der zwei Geschwindigkeiten konsequent bis ins Parlament.

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Plan für Europa: Flexible Demokratie

Schäuble will beim Umbau der EU zur Fiskalunion große Schritte machen. Doch seine Pläne schränken das nationale Budgetrecht ein und seine Idee eines Europas der zwei Geschwindigkeiten ist gefährlich: Sie könnte zur Spaltung der Union führen.

Von Hans Monath

Es ist eine alte Erfahrung, dass Reisen zum Nachdenken zwingen und der Blick von außen die eigene Perspektive verändert. So reden deutsche Politiker anders über die Schuldenkrise, wenn sie etwa eine Reise nach Asien hinter sich haben. Nicht nur in Fernost ist das Unverständnis über die langwierigen Entscheidungswege innerhalb der Europäischen Union groß, die eine schnellere Konsolidierung verhindern. Die Konstruktion Europas, das gemeinsam handeln soll und in entscheidenden Bereichen weiter auf Legitimation durch nationale Parlamente angewiesen ist, bleibt der Welt ein Rätsel.

Trotzdem scheint es ein seltsamer Vorgang, dass Wolfgang Schäuble auf dem Rückweg von Japan einen Zwischenstopp in Abu Dhabi nutzt, um beim Umbau der EU zu einer Fiskalunion gehörig aufs Tempo zu drücken. Zuvor hatte er auf der IWF-Tagung mit seiner Äußerung für Verwirrung gesorgt, ein Staatsbankrott Griechenlands werde nicht eintreten. Zumindest für die Innenpolitik gilt die ungeschriebene Regel, dass man aktuelle Streitfragen nicht aus dem Ausland kommentiert. Die verschnupfte Reaktion aus Brüssel auf Schäubles arabische Mahnungen deutet darauf hin, dass die EU-Kommission die Thesen lieber mit ihm direkt debattiert hätte, als sie auf diese Weise zur Kenntnis zu nehmen.

Auch der Rat, die Kommission, die EZB und die Euro-Gruppe haben eine Blaupause für den Umbau zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion erarbeitet, über die der EU-Gipfel diese Woche beraten soll. Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass Schäuble dem EU-Währungskommissar viel schärfere Interventionsrechte einräumen will und Vertragsänderungen anstrebt. Die können in Europa bekanntlich nur alle 27 Staaten einstimmig beschließen.

Zwar hat die EU-Kommission den Währungskommissar schon aufgewertet. Nach dem Willen Schäubles aber soll er nationale Haushalte nicht nur prüfen, sondern in eigenständiger Entscheidung Etats an die nationalen Parlamente zurückweisen können, ohne die anderen Kommissare einzubeziehen.

Dem deutschen Finanzminister ist bewusst, dass sein Umbauplan die heikle Frage der demokratischen Legitimation aufwirft: Größere Schritte zur Fiskalunion schränken das nationale Budgetrecht ein. Sein Vorschlag, wie das Legitimationsdefizit zu beheben sei, wirft aber neue Fragen auf. Ein „flexibles Stimmrecht“ soll das Europäische Parlament stärken, bei dem nur Abgeordnete aus der Euro-Zone oder den Schengen-Staaten abstimmen dürfen, wenn es um Fragen geht, die nur ihre Länder betreffen.

Schäuble verfolgt die Idee eines Europas der zwei Geschwindigkeiten konsequent bis ins Parlament. Doch er läuft damit Gefahr, nicht nur das EU-Parlament, sondern auch die EU dauerhaft zu spalten. Was würden die Deutschen von einem Bundestag halten, in dem etwa Abgeordnete aus dem Saarland oder aus Bayern nicht abstimmen dürfen, wenn ein Gesetz sie nicht betrifft?

Es ist verständlich, dass der Finanzminister in einem kurzen Zeitfenster den Hebel der deutschen Finanzkraft nutzen will, um die Fiskalunion voranzutreiben. Weniger verständlich ist sein kühner Vorschlag für eine Zweiklassendemokratie in Europa und sein Umgang mit den Zögerern in der EU. Die Briten, die ohnehin dabei sind, sich von Europa abzuwenden, werden seine Thesen nicht als Angebot empfinden, sondern als Aufforderung zum Gehen. Warum aber sollten sie dann einer Vertragsänderung zustimmen?

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