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Politik: Planspiele für den Tag danach

Bei einem Debakel für die FDP müssen Westerwelle, Brüderle und Homburger um ihre Ämter bangen

Berlin – Sie denken schon an den Tag danach: In den Reihen von Union und FDP wurden noch vor Öffnung der Wahllokale die Konsequenzen einer als sicher geltenden Niederlage in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz durchgespielt. Vor allem bei den Liberalen, die um den Einzug in beide Landtage bangen müssen, ist die Nervosität groß. FDP-Chef Guido Westerwelle, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und Fraktionschefin Birgit Homburger müssen mit Rücktrittsforderungen rechnen. Bei der Union bringt sich der Wirtschaftsflügel in Stellung, dem die Kehrtwende von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Atompolitik viel zu weit geht.

Welche Folgen die Baden-Württemberg-Wahl für Christ- und Freidemokraten im Bund haben wird, hängt maßgeblich vom Ausmaß der Verluste ab. Scheitern die Liberalen in ihrem Stammland an der Fünfprozenthürde, wird eine heftige Debatte über Parteichef Guido Westerwelle losbrechen. Gelingt der FDP hingegen der Einzug ins Parlament, dürfte sich die Diskussion stärker auf Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel konzentrieren. Tenor: Der Anfang vom Ende.

Einen schnellen Putsch muss die Kanzlerin indes nicht fürchten. Die Attacke von Altkanzler Helmut Kohl gegen Merkels neuen Atomkurs wurde in Unionskreisen als Einzelaktion gewertet. Hinter Kohl versammle sich niemand mehr. Andere namhafte Merkel-Kritiker mit innerparteilichem Gewicht gebe es nicht. Auch Vorwürfe aus dem baden-württembergischen Landesverband dürften ausbleiben. Spitzenkandidat Stefan Mappus, einst überzeugter und wortgewaltiger Atomkraftbefürworter, hat nach Beginn der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima bei der Kanzlerin ja selbst um einen Kurswechsel gebeten.

Um eine scharfe Atomdebatte wird Merkel dennoch nicht herumkommen. Einen Vorgeschmack bekam sie am Samstag, als mehrere Wirtschaftspolitiker ihrer Partei sich im „Spiegel“ zu Wort meldeten. Der CDU-Energiepolitiker Thomas Bareiß sagte: „In der Atomfrage wurde überhitzt eine Entscheidung getroffen, die unsere Glaubwürdigkeit infrage stellt.“ Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) warnte, ohne die sieben jetzt abgeschalteten Meiler würden die Klimaschutzziele nicht erreicht.

Merkel selbst scheint nicht gewillt, größere Konsequenzen aus einer Niederlage in Baden-Württemberg zu ziehen. Neuwahlen, mit denen einst Gerhard Schröder (SPD) auf den Machtverlust seiner Partei in Nordrhein-Westfalen reagierte, kommen für sie nicht infrage. Die Kanzlerin setzt darauf, dass sie die Krise durchstehen kann, wenn sie nur die Nerven behält. Frei nach dem Motto: Die Legislaturperiode ist noch lang und das Gedächtnis der Wähler kurz.

Die Kanzlerin kann es allerdings mit einer stark geschwächten und darum unberechenbaren FDP zu tun bekommen. Eine Kabinettsumbildung gilt wegen der Führungsdebatte in der FDP nicht als ausgeschlossen. In der FDP wurde am Samstag über ein Bündnis Westerwelles mit Gesundheitsminister Philipp Rösler und dem NRW-Landeschef  Daniel Bahr gegen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle spekuliert. Brüderle wird vorgeworfen, das Glaubwürdigkeitsproblem der Liberalen mit relativierenden Äußerungen zur Atomwende noch verschärft zu haben.

Im Fall Brüderle spielt die Wahl in Rheinland-Pfalz eine besondere Rolle. Der Minister ist dort Landesvorsitzender. Als solcher hatte er zum Jahresende zunächst tatenlos zugesehen, wie der FDP-Fraktionschef im Mainzer Landtag, Herbert Mertin, Westerwelle zu demontieren versuchte. Der Bundesvorsitzende sei im Wahlkampf ein „Klotz am Bein“, tönte Mertin. Schafft es die rheinland-pfälzische FDP nun nicht in den Landtag, könne Brüderle dafür verantwortlich gemacht werden, hieß es in der FDP. Es sei denkbar, dass Westerwelle ihn aus dem Kabinett abziehen und durch Rösler ersetzen werde. Gesundheitsminister würde dann der bisherige Staatssekretär Bahr.

Für Westerwelle und die Chefin der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, wiederum zählt vor allem Baden-Württemberg. Für Homburger, die auch baden-württembergische FDP-Chefin ist, könnte es selbst dann eng werden, wenn der Wiedereinzug gelingt. Sie braucht einen schwarz-gelben Sieg im Südwesten, um die nächsten Wochen in Berlin als Fraktionschefin unbeschadet zu überstehen. Für Westerwelle würde ein Scheitern an der Fünfprozenthürde sehr wahrscheinlich das Ende seiner Amtszeit als Parteichef einläuten.

Am 11. April treffen sich die Führungsgremien der Liberalen, um über die künftige Zusammensetzung der FDP-Spitze zu beraten. Bis dahin will sich Westerwelle nicht zu seiner Zukunft äußern. So war jedenfalls der Plan vor den Wahlen im Südwesten. Wie so viele Überlegungen dieser Tage, könnte er sich aber am Wahlsonntag um 18.01 Uhr als Makulatur erweisen.

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