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City BKK

© dpa

Pleite der City BKK: Krankenkassen auf Krücken

Die City BKK ist pleite, weitere Krankenkassen taumeln. Welche Folgen hat das für die Versicherten - und für das Gesundheitssystem?

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung hat die Pleite der City BKK zur Ausnahmeerscheinung erklärt. Und auch das Bundesversicherungsamt (BVA) sagt, dass es derzeit bundesweit keine weitere gesetzliche Kasse gibt, die eine drohende Insolvenz angezeigt habe. Allerdings gebe es, räumt BVA-Sprecher Tobias Schmidt ein, sehr wohl noch einige weitere Kassen „mit angespannter Finanzsituation“.

Ist die Pleite der City BKK der Anfang eines großen Kassensterbens – und was würde das fürs System bedeuten?

Bekanntermaßen hätte die Politik gar nichts dagegen, wenn aus den derzeit 155 Anbietern einmal 40 oder 50 werden würden. Wettbewerb gäbe es dann immer noch zur Genüge, und die Beitragszahler müssten nicht mehr für so viele Vorstandsposten und Verwaltungsapparate aufkommen. Allerdings wäre es weit angenehmer für Mitglieder wie Kassenbeschäftigte, wenn dieser Konzentrationsprozess nicht über Insolvenzen, sondern über weitere Fusionen vonstatten ginge. Die Kassen geben sich diesbezüglich auch Mühe: Beim Start des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 hatte es noch 202 Anbieter gegeben. Die Pleite der City BKK dagegen war die erste. Der Grund dafür liegt vor allem in der Beschränkung dieser Kasse auf Großstädte, in denen die Versorgung teurer ist. Dies bekommen die Versicherer nicht ausgeglichen. Allerdings gibt es einen Ausgleich für Kassen, die mehr alte und kranke Mitglieder haben als andere. Dadurch ist eine gewisse Fairness im Wettbewerb gewährleistet.

Welche Kassen außer der City BKK haben noch finanzielle Probleme?

Nach Tagesspiegel-Informationen ist auch die weit größere Vereinigte IKK in Nöten. Um ihre „Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu erhalten“ – so die interne Sprachregelung – verhandelt sie derzeit mit den anderen sechs Innungskrankenkassen über eine freiwillige Finanzspritze. Die Gespräche dauerten noch an, bestätigt Kassensprecherin Sylvia Strothotte. Und ihre Problembeschreibung klingt ähnlich wie die der City BKK: Auch die Vereinigte IKK mit Sitz in Düsseldorf versorgt ihre 1,7 Millionen Versicherten vorwiegend in Ballungszentren mit hoher Arzt- und Klinikdichte und kommt dadurch auf höhere Durchschnittsausgaben. Der Gesundheitsfonds gleiche regionale Versorgungsunterschiede jedoch nicht aus, klagt die Sprecherin. „Trotz kontinuierlichen, intensiven Kostenmanagements und wirtschaftlichen Handelns“ wirke sich diese Tatsache negativ für die Vereinigte IKK aus. Allerdings verfüge man nach wie vor „über ausreichend Liquidität sowie Vermögenswerte“ und sei auch „eigenständig handlungsfähig“.

Zwei weitere Sorgenkinder der Vergangenheit sind inzwischen in ruhigerem Fahrwasser. Die BKK Heilberufe hat sich dank eines straffen Sanierungskurses und Nachzahlungen aus dem Fonds einigermaßen berappelt und ihren Zusatzbeitrag zum Jahreswechsel sogar gesenkt – von einem Prozent des beitragspflichtigen Einkommens auf pauschale zehn Euro. Und die Gemeinsame Betriebskrankenkasse Köln, eine Großstadtkasse mit ähnlichen Problemen wie die City BKK, wurde von der mhplus BKK geschluckt.

Was ist mit den großen Kassen, die bereits Zusatzbeiträge verlangen müssen?

Bei der DAK, der wegen der acht Euro im Monat seit Anfang 2010 schon knapp 400 000 Mitglieder den Rücken kehrten, hat sich die Lage entspannt. Zwar verlor die Kasse in den ersten drei Monaten dieses Jahres weitere 76 000 Versicherte. Man könne das Quartal aber mit einem Überschuss von rund 180 Millionen Euro abschließen, sagte Sprecher Jörg Bodanowitz dem Tagesspiegel. Auf den Zusatzbeitrag verzichten werde man dennoch nicht. Mit dem angestrebten Jahresplus von 200 Millionen Euro will die Kasse stattdessen die Rücklagen füllen. 2010 hatte die DAK noch ein Minus von 79 Millionen Euro verbucht.

Zurückzuführen sei das positive Finanzergebnis auch auf Sanierungsbemühungen, sagte der DAK-Sprecher. So habe man die Verwaltungskosten um 2,2 Prozent gesenkt. Auch die Zahl der Beschäftigten ging zurück, man versuche sie dieses Jahr sozialverträglich auf unter 10 000 zu bekommen.

Anfang 2010 lag sie noch bei knapp 11 400. Zudem habe man eine umfassende „Teilzeitinitiative“ gestartet, mit der die Mitarbeiter ihre tägliche, wöchentliche oder jährliche Arbeitszeit verringern könnten. Um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, hatten DAK und KKH Allianz mit den anderen Ersatzkassen und der Gewerkschaft Verdi über einen „Notfalltarif“ verhandelt, der Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich vorsah. Die Verhandlungen waren jedoch gescheitert, die Kassen wollten ihren Konkurrenten keinen Einblick in die Finanzen geben.

Auch die KKH-Allianz stellte fürs erste Quartal ein „deutliches Finanzplus“ in Aussicht. Es gebe derzeit „keine haushaltspolitische Schieflage“, versicherte Sprecherin Maren Teichmann. Gleichwohl belasse man es beim bisherigen Zusatzbeitrag. Die Versichertenzahlen seien „leider weiterhin leicht rückläufig“. Im Vorjahr kündigten bereits rund 190 000. Die Deutsche BKK verlor seit Anfang 2010 rund 140 000 Versicherte, sie hat jetzt nur noch rund 850 000.

Was sollten die betroffenen Versicherten der City BKK nun tun?

Zunächst einmal nicht in Panik verfallen. Bis zur Schließung der City BKK am 1. Juli sind alle dort Versicherten umfassend geschützt und müssen von Ärzten und Kliniken in gewohnter Weise behandelt werden. Allerdings sollten sie in den nächsten Wochen auch damit beginnen, sich nach einem anderen Versicherer umzusehen. Sie können frei wählen, keine gesetzliche Kasse darf jemanden ablehnen, dessen Krankenkasse geschlossen wurde. Allerdings müssen sie dieses Wahlrecht bis spätestens zwei Wochen nach dem Schließungstermin wahrgenommen haben. Freiwillig Versicherte dürfen sich sogar drei Monate darüber hinaus Zeit lassen. Die Mitgliedschaft gilt dann rückwirkend. Bereits bewilligte Leistungen, etwa für Rehabilitation oder Zahnersatz, werden grundsätzlich von der neuen Kasse übernommen. Über das Procedere informiert die City BKK ihre Mitglieder demnächst schriftlich. Außerdem gibt es eine Service-Hotline unter der Nummer 030/8895-1200.

Werden die Mitglieder der City BKK jetzt von anderen Kassen umworben?

Damit ist schon deshalb nicht zu rechnen, weil andere Anbieter im Regelfall gar nicht an die Adressen kommen. Außerdem wären sie ja vor allem an jungen und gesunden Mitgliedern interessiert, von denen es bei der City BKK so viele nicht gibt. Um detaillierte Angaben zu erhalten, bedürfte es eines hohen Maßes an krimineller Energie, meint Florian Lanz vom Spitzenverband der gesetzlichen Kassen. Die sensiblen Sozialdaten seien hierzulande besonders geschützt.

Worauf sollten Versicherte beim Kassenwechsel achten?

Dass die Kasse zu ihnen passt. Zwar ist das Leistungsspektrum der gesetzlichen Versicherer zu etwa 95 Prozent vom Gesetzgeber festgelegt. Manchmal aber ist auch der Rest nicht ohne. Ob bestimmte Vorsorgeuntersuchungen oder alternative Heilmethoden bezahlt werden, ob es Chronikerprogramme oder Zuschüsse für Fitnesskurse gibt, ist von Kasse zu Kasse verschieden. Service und Beratung werden bei manchen Anbietern groß geschrieben, bei anderen weniger. Und schließlich gibt es trotz Einheitsbeitragssatz auch Kostenunterschiede. Immerhin zwölf Krankenkassen nehmen einen Zusatzbeitrag von bis zu zehn Euro im Monat. Neben drei geschlossenen Betriebskrankenkassen sind das: die DAK, die KKH-Allianz, die Deutsche BKK, die BKK advita, die BKK für Heilberufe, die BKK Hoesch, die BKK Phoenix, die BKK Publik und die BKK Gesundheit.

Was geschieht mit Versicherten, die nicht innerhalb der Frist reagieren?

Die Mitglieder der City BKK werden nach Ablauf der Wechselfrist von ihrem Arbeitgeber bei der Krankenkasse angemeldet, bei der sie zuvor waren. Bei Arbeitslosen übernimmt das die Bundesagentur für Arbeit, bei Rentnern die Rentenversicherung. Nur wenn die frühere Kasse nicht zu ermitteln ist, darf dem Pflichtversicherten einfach eine andere Krankenkasse zugewiesen werden. Wenn dieser Anbieter dann Zusatzbeiträge verlangt, hat der Versicherte Pech gehabt. Er muss dann mindestens 18 Monate in der Kasse bleiben. Ein Sonderkündigungsrecht besteht nur, wenn die Krankenkasse den Zusatzbeitrag erhöht.

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