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Pömmelte-Prozess: Haft- und Bewährungsstrafen für rechte Schläger

Vier Monate nach dem Angriff auf einen zwölfjährigen Jungen in Pömmelte sind vier mutmaßliche Rechtsextreme zu Bewährungs- oder Jugendhaftstrafen verurteilt worden. Sie hatten ihr Opfer gequält und schwer verletzt.

Schönebeck - Die vier Schläger von Pömmelte kannten kein Mitleid: Mit unbeschreiblicher Grausamkeit quälten sie am 9. Januar einen zwölfjährigen Jungen äthiopischer Abstammung, weil er farbig war und für die Angreifer somit kein «richtiger Deutscher». Erst nach gut einer Stunde ließen die 16- bis 20-Jährigen von ihrem blutenden und verzweifelt schreienden Opfer ab, 34 Verletzungen stellten Ärzte später fest.

Viereinhalb Monate nach der Tat, die bundesweit für Entsetzen sorgte, verurteilte das Amtsgericht Schönebeck die vier jungen Rechtsextremen am Montag zu Jugendstrafen bis zu dreieinhalb Jahren: Wegen gefährlicher Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung müssen zwei ins Gefängnis, die beiden anderen bekamen eine Bewährungsstrafe.

«Die Angeklagten haben ihr Opfer gequält bis zum Umfallen», sagte Richterin Peggy Bos in ihrer Urteilsverkündung im zum Bersten vollen Gerichtssaal 313. Der Junge, bis dahin Bewohner eines Kinderheimes der Diakonie in dem kleinen Ort Pömmelte, sei allein wegen seiner dunklen Hautfarbe gequält, gedemütigt und gezüchtigt worden. «Der Junge hat unsägliche Schmerzen erlitten. Es war eine sinnlose Gewalttat.» Die Wunden seien inzwischen verheilt, die psychischen Folgen wirkten fort.

Auf seine Peiniger traf der Zwölfjährige an jenem kalten Wintertag in einem Linienbus, mit dem er am Abend von der nahen Kreisstadt Schönebeck nach Hause fahren wollte. Schon dort attackierten die vier Angreifer den Jungen. Das eigentliche Martyrium für ihn begann dann in Pömmelte, wo die Jugendlichen begannen, ihn systematisch und auf sadistische Weise in Todesangst zu versetzen.

Sie peinigten ihn unter anderem mit Fußtritten und Fausthieben, schlugen ihn mit einer Bierflasche ins Gesicht und drückten eine brennende Zigarette auf seinem Augenlid aus. Er musste ihre Springerstiefel und Turnschuhe ablecken, musste «Exerzieren» und zum Hohn ein Kinderlied singen. Zwei der Rechtsradikalen urinierten auf den Kopf ihres am Boden liegenden, blutenden und weinenden Opfers. Ein anderer richtete eine Schreckschusspistole auf den Zwölfjährigen, den das Quartett zudem als «Bimbo», «Ausländervieh» oder «Nigger» beschimpfte. Halb tot geschlagen blieb der Junge schließlich zurück, kam mit einem Schädel-Hirn-Trauma, einem Nasenbeinbruch, Blutergüssen und Platzwunden ins Krankenhaus.

Heute lebt das Opfer nicht mehr in Pömmelte, aus Angst, seinen Peinigern nochmals zu begegnen. Fraglich ist, ob der Junge die psychischen Folgen des Angriffs jemals wird verarbeiten können. «Er hat panische Angst, im Dunkeln allein auf die Straße zu gehen», schildert sein Anwalt Stephan Maigné, im Prozess Nebenkläger. «Er bekommt erbitterte Furcht, wenn er Glatzköpfe mit Springerstiefeln sieht.» Außerdem leide das Kind an Albträumen.

In Sachsen-Anhalt sind Angriffe Rechtsextremer auf Ausländer und Andersdenkende keine Seltenheit. Mehr als 100 solcher Überfälle gab es laut Verfassungsschutzbericht 2005, Fachleute warnen vor einer Verfestigung der rechten Szene in einigen Regionen. «Der Überfall von Pömmelte ist Ausdruck dieser Entwicklung, es muss mehr gegen den Rechtsextremismus getan werden», sagt Heike Kleffner von der Mobilen Opferberatung Magdeburg. Zumindest in Pömmelte wurde nach dem Angriff reagiert: In dem kleinen Ort wurde ein Runder Tisch gegen Gewalt ins Leben gerufen.

(Von Stefan Kruse, dpa)

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