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Donald Tusk

© AFP

Polen: Bus statt Limousine

Polens neue Regierung gibt sich bescheiden – und will zuerst das Verhältnis zu den Nachbarn verbessern.

Der Tag für die zukünftige Regierung Polens begann früh. Pünktlich um neun Uhr traf sich der neue Premier Donald Tusk mit seinen 17 Ministern bei empfindlichen Minustemperaturen zur Heiligen Messe. Nachdem sie sich den göttlichen Segen erbeten hatten, ging es gar nicht standesgemäß mit dem Bus in Richtung Präsidentenpalast. Die Botschaft war klar: Diese Regierung wird nicht unnötig das Geld des Steuerzahlers verschwenden. Punkt 10 Uhr 15 war es dann soweit. Präsident Lech Kaczynski vereidigte die Männer und Frauen – Polen hatte eine neue Regierung.

Überschattet wurde der Tag durch einen kleinen persönlichen Ausfall Jaroslaw Kaczynskis. Entgegen den Geflogenheiten sah sich der Ex-Premier nicht in der Lage, seinem Nachfolger offiziell die Amtsgeschäfte zu übergeben. Kaczynski war am Donnerstag überraschend zu einem Kurzurlaub aufgebrochen, der sich offensichtlich auf keinen Fall verschieben ließ. Der Chef der national-konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit hat allem Anschein nach seine Niederlage bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 21. Oktober noch nicht ganz verdaut.

Die liberalkonservative Bürgerplattform war aus der Abstimmung mit 209 Mandaten als die stärkste Kraft hervor gegangen. Die Koalition aus Tusks PO und der Polnischen Bauernpartei PSL verfügt über eine solide Mehrheit von 240 Stimmen im 460 Sitze zählenden Abgeordnetenhaus. Vizeregierungschef und Wirtschaftsminister ist Bauernpartei-Chef Waldemar Pawlak. Aber auch der musste den neuen Premier noch vor der Vereidigung des Kabinetts versetzen. Aus „familiären Gründen“ kooperiert musste er Warschau kurzfristig verlassen. Dieser formale Akt solle aber, kam Innenminister Schetyna allen Spekulationen zuvor, möglichst bald nachgeholt werden.

Bei der Vereidigung war auch kurz der Streit um Außenminister Radoslaw Sikorski vergessen. Der hatte sich allerdings am Donnerstag noch einmal in einem Interview mit der Tageszeitung „Fakt“ zu Wort gemeldet und der Kanzlei des Präsidenten vorgeworfen, ihn seit Tagen in Misskredit bringen zu wollen. Er wolle sich von dieser „unprofessionellen Art“ allerdings nicht irritieren lassen und strebe eine konstruktive Zusammenarbeit mit Präsident Kaczynski an. „Zum Tanzen braucht es zwei. Ich bin dazu bereit“, erklärte Sikorski. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, legte er seinen Arbeitsplan offen. Bereits am Montag wird Sikorski am EU-Außenministerrat teilnehmen. Europa könne sich bereits bei dieser Gelegenheit davon überzeugen, stichelte der neue Minister, dass Polen vorhabe, einen neuen Stil in seine Außenpolitik einzuführen.

Allerdings steht die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarn nicht ganz oben auf der Prioritätenliste der Polen. Wie eine Umfrage ergab, erwarten sie von der neuen Regierung vor allem, dass sie das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre nutzt und endlich neue Arbeitsplätze schafft, so dass Hunderttausende von Polen nicht mehr ins Ausland gehen müssen, um dort Geld zu verdienen. Verlangt wird auch die Reform des maroden Gesundheitssystems. Donald Tusk hatte bereits im Wahlkampf angedeutet, dass er in diesem Bereich auch vor Privatisierungen nicht zurückschrecke. Den Reformmotor starten kann der neue Premier allerdings erst Ende kommender Woche. Am Freitag will er sein Programm vorstellen und die Vertrauensfrage stellen. Dann gilt es Worte in Taten umzusetzen.

Knut Krohn[Krakau]

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