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Politik: Polen fordert fairen Wettbewerb für seine Bauern

Für eine "Versachlichung" der EU-Beitrittsverhandlungen hat sich Polens Außenminister Wlodimierz Cimoszewicz ausgesprochen. Vor seiner ersten Amtsreise nach Berlin am Dienstag warnte der Sozialdemokrat im Gespräch mit dem Tagesspiegel jedoch vor den "paradoxen" Folgen des Kommissionsvorschlags, den Landwirten in den Kandidatenländern nach dem EU-Beitritt zunächst nur 25 Prozent der Direktbeihilfen zu zahlen.

Für eine "Versachlichung" der EU-Beitrittsverhandlungen hat sich Polens Außenminister Wlodimierz Cimoszewicz ausgesprochen. Vor seiner ersten Amtsreise nach Berlin am Dienstag warnte der Sozialdemokrat im Gespräch mit dem Tagesspiegel jedoch vor den "paradoxen" Folgen des Kommissionsvorschlags, den Landwirten in den Kandidatenländern nach dem EU-Beitritt zunächst nur 25 Prozent der Direktbeihilfen zu zahlen. Grundlage der Verhandlungen über die EU-Erweiterung müsse das "Prinzip des fairen Wettbewerbs" sein: "Der Kommissionsvorschlag könnte jedoch dazu führen, dass auch die besten polnischen Bauern sogar auf dem heimischen Markt im Wettbewerb mit deutschen oder französischen Landwirten keine Chance haben."

Angesprochen auf die heftige Kritik des Koalitionspartners PSL an der Kommission, sagte der Minister, dass man auch in Polen nicht vergessen sollte, dass es sich bei den Beihilfen um Gelder handle, die "von Brüssel nach Warschau und nicht von Warschau nach Brüssel fließen". Gleichzeitig forderte Cimoszewicz, dass keiner der "armen und weniger gut entwickelten" Kandidatenstaaten unmittelbar nach dem EU-Beitritt Netto-Beitragszahler der Union sein sollte: "Der Vorschlag der Kommission würde bedeuten, dass wir im ersten Jahr zum Nettozahler werden - und das ist für Polens Bürger keine ermutigende Perspektive."

Bei seinen Gesprächen in Berlin wolle er vor allem ausloten, welche Folgen die bevorstehenden Bundestagswahlen für die Beitrittsverhandlungen haben könnten, sagte Polens Chefdiplomat. Etwas irritiert zeigte er sich sowohl über Forderungen, den Beitrittskandidaten vorerst überhaupt keine Direktzahlungen anzubieten, als auch über den Vorschlag von Finanzminister Hans Eichel, bereits bewilligte EU-Mittel für die Kandidaten erst 2004 statt 2002 auszuzahlen. Es wolle sich Deutlichkeit verschaffen, ob diese Vorstöße nur "Taktik" oder die tatsächliche Position der Bundesregierung seien, so Cimoszewicz. Deutschland sei immer ein "sehr starker und deutlicher Befürworter" von Polens EU-Beitritt gewesen: "Wir wissen das sehr zu schätzen. Und ich hoffe, dass die Wahlen die deutsche Position weder beeinträchtigen noch ändern werden."

Obwohl Polen bislang erst 20 der 29 Verhandlungskapitel abschließen konnte, ist sich Cimoszewicz "sicher", dass Warschau die Beitrittsverhandlungen planmäßig bis zum Jahresende beenden wird. Bis Juni sei der Abschluss von sechs weiteren Kapiteln vorgesehen. Als "schwierige Herausforderung" für alle Kandidatenstaaten bezeichnete er die für die zweite Jahreshälfte geplanten Verhandlungen über Direktzahlungen und Strukturbeihilfen. Zudem müsse die Regierung auch noch die nötigen Institutionen zur Verteilung der EU-Mittel schaffen, die Gesetzgebung anpassen, Mittel für die Kofinanzierung von durch die EU geförderte Projekte bereitsstellen - und für das für 2003 geplante Referendum über Polens EU-Beitritt "zumindest das derzeitige Niveau der Zustimmung für die EU erhalten".

"Eine Ablehnung des Beitritts wäre ein historischer Fehler", kündigte Wlodimierz Cimoszewicz für die nächsten Monate verstärkte Informationskampagnen an. Besorgt zeigte sich der frühere polnische Premierminister über die auf das Rekordniveau von mehr als 18 Prozent gekletterte Arbeitslosigkeit seines Landes.

Reformfreudig und pragmatisch

tro. Auf dem diplomatischen Parkett ist Polens neuer Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz kein Unbekannter: Anderthalb Jahre leitete der 51-jährige Sozialdemokrat Mitte der 90er Jahre als Premier bereits selbst die Regierungsgeschäfte. Zu Studentenzeiten war der Diplom-Jurist im Jugendverband der sozialistischen PZPR aktiv.

Nach der demokratischen Wende von 1989 zog der Stipendiat der amerikanischen Fulbright-Stiftung erstmals in den Sejm ein. Obwohl der reformgesinnte Sozialdemokrat der 1990 neugegründeten SLD nahe stand, trat er ihr erst neun Jahre später bei. Als unabhängiger Abgeordneter rutschte der begeisterte Jäger 1993 als Justizminister auf die Regierungsbank, übernahm im Februar 1996 in der Koalition der SLD mit der Bauernpartei PLS gar das Amt des Premiers.

Das mangelhafte Krisenmanagement bei der Oder-Überschwemmung kostete die SLD bei den Wahlen 1997 den sicher geglaubten Sieg - und Cimoszewicz seinen Job. Ausgerechnet im Kabinett seines langjährigen Kontrahenten in der SLD, Leszek Miller, feierte der pragmatische Realpolitiker im Oktober indes sein politisches Comeback: Auf Wunsch von Präsident Aleksander Kwasniewski wurde er zum Außenminister ernannt.

Thomas Roser

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