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Politik: Polen gegen Standort Berlin

Vorbehalte gegen Vertreibungszentrum in der Hauptstadt

Berlin/Warschau (dpa/tro). Im Streit um ein Zentrum gegen Vertreibungen hat sich Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) als Vermittler eingeschaltet. Schily kündigte am Mittwoch in Berlin an, er wolle alle Beteiligten zu einem Gespräch einladen. Er setze sich für eine „vernünftige Lösung“ ein, die sowohl den Bund der Vertriebenen als auch andere Vertriebenengruppen mit einbezieht, sagte eine Sprecherin Schilys.

UnionsFraktionsvize Wolfgang Bosbach stellte sich indes hinter den Bund der Vertriebenen und wandte sich gegen eine „Europäisierung“ des Projekts, wie es verschiedene Politiker und Schriftsteller in einem gemeinsamen Aufruf gefordert hatten. „Wer dieses Projekt zu einer Veranstaltung aller europäischen Länder und Regierungen machen will, der bringt das gesamte Projekt in Gefahr“, sagte Bosbach im DeutschlandRadio Berlin.

Der frühere polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski sagte hingegen, die Wunden der gemeinsamen Geschichte müssten gemeinsam geheilt werden. Der ehemalige KZ-Häftling warnte vor dem Wecken „böser Erinnerungen“ durch den Standort Berlin. Die Zeitung „Rzeczpospolita“ bedauerte in einem Kommentar, dass in Deutschland „immer häufiger“ vergessen werde, dass die Vertreibungen Konsequenz der „Raserei“ der Nazis gewesen seien.

Ein Zentrum gegen Vertreibungen müsse als „Warnung für die Zukunft“ einen internationalen Charakter haben, mahnte am Mittwoch im polnischen Rundfunk Marek Edelman, der letzte noch lebende Anführer des Warschauer Ghetto-Aufstands. Die Vertreibung der Deutschen aus Schlesien und Pommern sei zwar „schlimm“ gewesen, doch bei einem rein deutschen Zentrum bestünde die Gefahr, dass „der Henker in die Rolle des Opfers schlüpft“, sagte Edelmann.

Einig sind sich Polens Kritiker des geplanten Zentrums gegen Vertreibungen allerdings nur in dessen Ablehnung. Im vergangenen Jahr stieß der von polnischen Publizisten unterstützte Vorschlag des SPD-Abgeordneten Markus Meckel, ein internationales Zentrum in Breslau (Wroclaw) anzusiedeln, in Polen auf laue bis ablehnende Reaktionen.

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