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Pietrzyk

© dpa

Polen: Narben einer Mission

2003 plante Edward Pietrzyk Polens den Einmarsch im Irak. Jetzt ist er Botschafter und begleitet den Abzug der Truppen - mit gemischten gefühlen.

Er war dem Tod näher als dem Leben. Drei Wochen lag er im Koma, die Ärzte gaben ihm nur geringe Überlebenschancen. Am 3. Oktober 2007, nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt im Irak, hatte eine Bombe in Bagdad das Auto des polnischen Botschafters Edward Pietrzyk zerfetzt. Sein Fahrer und sein Leibwächter waren sofort tot, er selbst wurde schwer verletzt geborgen und nach Europa geflogen. Am 14. Dezember war er wieder zurück im Dienst, „weil wir dem Terror nicht nachgeben dürfen“, sagt Pietrzyk im Gespräch mit dem Tagesspiegel in Washington. „Das war doch ihr Ziel: europäische Botschafter, die nach Bagdad zurückkehren, mit dem Attentat in die Flucht zu schlagen. Sie spüren, dass die Lage sich bessert – und das entzieht ihrer Gewalt die Rechtfertigung.“

Noch immer trägt er schwarze Handschuhe, um die Brandnarben an den Händen zu verdecken. Edward Pietrzyk hat die Folgen seines Handelns, wenn man so will, persönlich zu spüren bekommen. Er war General und Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte Polens, als das Land sich 2003 der Koalition der Willigen zu Saddam Husseins Sturz unter US-Führung anschloss. „Viele Fehler wurden gemacht, aber die Gesamtbilanz ist positiv“, sagt der 58-Jährige. „Der Irak, den ich heute als Botschafter erlebe, ist ein völlig anderes Land als 2003. Ohne die Hilfe der Koalitionskräfte wären die Fortschritte nicht möglich gewesen.“

Als Fehler nennt er die Auflösung der irakischen Armee. Und den Boykott der ersten freien Wahl 2005 durch die Sunniten, der dazu führte, dass „das politische System sich zunächst auf nur ein Bein stützte: die Schiiten“. Inzwischen gebe es Fortschritte. „Auch die Sunniten suchen die Entscheidung jetzt an der Wahlurne und nicht mehr mit der Waffe. Die sunnitischen Milizen bekämpfen heute von sich aus die von Al Qaida eingeschleusten ausländischen Terroristen. Allmählich wächst der Wille zu einer nationalen Aussöhnung, wie es sie unter Saddam Hussein nicht gab.“ Angriffe auf Koalitionstruppen gebe es kaum noch.

Gut fünf Jahre, nachdem er als Militär Polens Einmarsch im Irak geplant hat, erlebt er nun als Diplomat den Abzug. Die von Polen kontrollierte Provinz sei „die sicherste im ganzen Irak“. Bis Mitte Juli werde die Macht an die Iraker übergeben, bis Ende September bleiben Polens Truppen als Rückversicherung einsatzbereit, im Oktober folgt der Abmarsch.

Der bedeutet mittelfristig die Verlegung nach Afghanistan, zur Unterstützung des Nato-Einsatzes dort. Polens Armee sei noch nicht zu zwei parallelen Auslandseinsätzen fähig. Die Modernisierung brauche ihre Zeit. Es gehe um Ausrüstung wie Helikopter und Nachtsichtgeräte, vor allem aber gehe es um Flexibilität. Der Irakeinsatz habe einen Modernisierungs- und Erfahrungsschub ohnegleichen gebracht, sagt Pietrzyk. Das sei ein großer Gewinn. „Früher beteiligten wir uns nur an UN-Blauhelmeinsätzen. Jetzt haben 20.000 polnische Soldaten praktische Erfahrung, wie man ein Land nach schrecklichen Kriegserlebnissen stabilisiert. Das kann kein Manöver leisten.“

Pietrzyk spricht ruhig, obwohl es um Fragen von Leben und Tod geht. 22 Gefallene und einige hundert Verletzte hatte Polen in fünf Jahren Irakeinsatz zu beklagen. Sein Leben hat ihn Geduld gelehrt und Dankbarkeit für unverhoffte Wendungen der Geschichte. Wenn er über den Aufbau des trilateralen Korps aus Dänen, Deutschen und Polen in Stettin seit 1997 erzählt, nur wenige Jahre nach dem Kalten Krieg, klingt er besonders warmherzig. Er war einer der drei Kommandeure.

Es liegt wohl auch an den unterschiedlichen Lebenswegen, dass Polen und Deutsche so verschieden über den Irakkrieg denken. Pietrzyk hat noch sowjetische Militärakademien besucht, in Leningrad in den 70er Jahren und 1990 in Moskau. 1997 absolvierte er dann die US-Militärakademie. Der Unterschied? „In Russland wurde auswendig gelernt und abgefragt. In den USA interessiert nur, wie wir unser Wissen praktisch anwenden, um Probleme zu lösen.“

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