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© dpa

Polen: Premier Kaczynski schwimmt gegen die Strömung

Vor den Neuwahlen: Die antideutschen Töne von Polens Regierungschef Kaczynski kommen in der Bevölkerung nicht an.

Die antideutsche Wahlkampfrhetorik von Premier Jaroslaw Kaczynski scheint in Polen doch nicht so zu zünden wie gewünscht. Die Partei „Bürgerliche Plattform“ (PO) sei abhängig von Deutschland, hatte der Regierungschef in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Wprost“ behauptet. Zudem sei ihr Chef, Donald Tusk, zu sehr vom deutschen Milieu in Danzig fasziniert. Glaubt man der Blitz-Umfrage der liberalen Zeitung „Gazeta Wyborcza”, so lehnen allerdings 67 Prozent der Befragten Kaczynskis Attacken als „Wahlkampf” ab.

In Polen stehen im Herbst vermutlich Wahlen an; nach dem Bruch der Koalition in der vergangenen Woche regiert die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unter Jaroslaw Kaczynski als Minderheit. Sie testet nun, ob sie mit antideutscher Rhetorik Mehrheiten erreicht. Die außenpolitische Linie der PiS ging jedoch an der PO nicht spurlos vorbei – Donald Tusk ging seit dem Wahlkampf 2005 auf deutlichen Abstand zu deutschen Vertretern.

Jutta Frasch, momentane Geschäftsträgerin der deutschen Botschaft in Warschau, sagte dem Tagesspiegel, dass sich die deutsche Vertretung grundsätzlich nicht in den polnischen Wahlkampf einmische. Gegenüber der Regierungspartei PiS werde eine „Politik der ausgestreckten Hand” geführt.

In umfassenderen Umfragen zeigt sich, dass Polen ein zunehmend freundliches Bild von seinem westlichen Nachbarn hat. Nach Befragungen des polnischen Instituts für öffentliche Angelegenheiten (ISP) gaben sogar 44 Prozent der Polen an, die Deutschen zu mögen. Vor allem in den ehemaligen deutschen Gebieten gibt man sich unbeschwerter. So wirbt die Stadt Breslau, auf polnisch Wroclaw, mit deutschem Namen und Erbe im westlichen Nachbarland.

Doch darauf kann die PiS nicht schauen. Schließlich muss die Regierungspartei auch Rücksicht auf Tadeusz Rydzyk nehmen: der Chef des rechtskatholischen Senders Radio Maryja verfügt über eine Millionenhörerschaft und eine antideutsche Einstellung, die nicht dem Zeitgeist folgt. Rydzyk verhalf der Kaczynski-Partei 2005 mit seiner Unterstützung zum Wahlsieg. Zurzeit wird er jedoch von Andrzej Lepper, dem entlassenen Vizepremier und Chef der Partei Selbstverteidigung heftig umworben. Rydzyk schweigt sich bislang aus, wen er im Wahlkampf unterstützen will.

Kaczynskis Polemik gegen Tusk in seiner Eigenschaft als Danziger ist vielleicht auch eine Abkehr von der Strategie der PiS, die bürgerlich-liberale Hochburg in Danzig zu erobern. Dies war im letzten Wahlkampf gescheitert. Auch mit dem Hinweis, dass Tusks Großvater kurzfristig in der Wehrmacht diente, konnte die Partei dort nicht überzeugen. Nun argumentiert Kaczynski indirekt, dass jemand aus Danzig Polen nicht verkörpern könne. Die Skepsis gegen die Danziger könnte jedoch zu einem Eigentor der PiS führen – schließlich stammen die Eltern der ebenfalls deutschlandskeptischen Außenministerin Anna Fotyga aus Danzig und wohnen seit 30 Jahren in Westfalen.

Die Danziger hätten die „Aussiedlung” der Deutschen erlebt, die Warschauer die Vernichtung der Stadt durch die Deutschen, warnte unterdessen der Soziologe und Kaczynski-Berater Zdislaw Krasnodebski in der Tageszeitung „Rzeczpospolita“ am Dienstag. Das konservative Blatt fährt seit einem Jahr mit seinem Chefredakteur Pawel Lisicki deutlich auf Regierungskurs. Dabei lässt sie sich ungern kritisieren und greift schnell zu schwerem Gerät: eine deutsche „Panzerfaust“ sei gegen polnische Journalisten gerichtet, so die Zeitung in der gleichen Ausgabe. Gemeint ist in erster Linie der Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“, Thomas Urban, der die einseitige Darstellung Deutschlands durch die Zeitung beklagt hatte. Ein Beispiel für den Wandel im konservativen Milieu Polens – Urban war vor einigen Jahren noch Gastkolumnist der „Rzeczpospolita“.

Jens Mattern

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