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PiS-Chef Jaroslaw Kazynski behauptet, die Justiz Polens werde noch immer von den Kommunisten beherrscht.

© Alik Keplicz,dpa

Polen: Teile der umstrittenen Justizreform in Kraft

Zwei Gesetze zum Gerichtswesen hat Präsident Duda mit seinem Veto blockiert. Doch eines hat er gebilligt. Der Justizminister darf nun allein die Richter benennen.

Die polnische Justiz brauche eine radikale Reform, hat Jaroslaw Kaczynski, der Chef der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), bestimmt. Jetzt hat sie begonnen, trotz zweier Vetos von Staatspräsident Andrzej Duda. Seit dem Wochenende ist das „Gesetz über die gewöhnlichen Gerichte“ in Kraft. Es gibt dem polnischen Justizminister das Recht, mehr als tausend Gerichtspräsidenten überall im Land und auf allen Ebenen auszuwechseln. Die offizielle Begründung: Den einfachen Bürgern solle der Zugang zu den Gerichten erleichtert werden.

Viele Missstände

In der Tat herrschen in Polens Gerichtswesen seit Jahren viele Missstände. Allein zwischen 2015 und 2016, also bereits zur Zeit der von Kaczynski gesteuerten PiS-Regierung, hat sich die Wartezeit auf ein Urteil in erster Instanz von 10 auf 14 Monate erhöht. Die Bezirksgerichte sind überlastet, die Abläufe der Verfahren langwierig. Dass das Gerichtswesen reformiert werden muss, bestreitet niemand.

Heftig umstritten ist jedoch die Art und Weise, in der die PiS vorgeht. Ihre Lösung heißt im Wesentlichen: neue Kader müssen her – und auf die Schlüsselpositionen kommen PiS-Parteisoldaten. Mit der Verlosung von Fällen soll künftig Korruption verhindert werden, was die Verfahren nach Ansicht von Experten nicht beschleunigt. Sie weisen seit Jahren darauf hin, dass vor allem der Einsatz von Friedensrichtern die Gerichte entlasten würde.

Monatelange Medienkampagne

Grundlage der Reform ist die Überzeugung von Parteichef Kaczynski, in der Justiz hätten auch fast drei Jahrzehnte nach dem Ende des Sozialismus noch immer die Kommunisten das Sagen. Da dieses Argument auch PiS-Wähler kaum überzeugt, haben regierungsfreundliche Medien vor der Parlamentsdiskussion über die Justizreform monatelang über jede Promillefahrt und jeden Ladendiebstahl von Richtern berichtet, um das ohnehin beschädigte Vertrauen in die Justiz maximal zu untergraben.

Zwei von drei Gesetzen hat der aus der PiS stammende Staatspräsident Duda Ende Juli mit seinem Veto belegt. Bis zum Herbst will er dem Parlament eigene Vorschläge zum Obersten Gericht sowie für den Landesjustizrat vorlegen, der bisher für die Richternominierungen zuständig war. Ob sich diese von Kaczynskis Wunsch unterscheiden, der die Richter völlig dem Willen der PiS-Regierung unterwerfen möchte, muss sich noch zeigen. Bisher ist Duda nicht durch Widerstand gegen Kaczynski aufgefallen. Im Jubel über die überraschende Notbremse des Präsidenten ist weitgehend untergegangen, dass er zwei Gesetze sofort unterschrieben hatte – genau so, wie es Kaczynski von ihm verlangte. Nach Ansicht von Experten sind alle drei Gesetze verfassungswidrig – und die EU untersucht das gerade in einem Vertragsverletzungsverfahren.

Jederzeit absetzbar

Seit Montag hat Justizminister Zbigniew Ziobro (PiS) nun sechs Monate Zeit, all jene Gerichtspräsidenten und deren Stellvertreter auszutauschen, die ihm nicht passen. Ziobro hat gleichzeitig auch das Recht, alle Gerichtspräsidenten jederzeit wieder abzusetzen. Allein das ist schon verfassungswidrig. Juristen befürchten, dass die neuen Vollmachten des Justizministeriums die Richter zu Urteilen verleiten, die der Regierung genehm sind. „Statt fachlicher Kompetenz wird Loyalität zum entscheidenden Kriterium“, sehen Kritiker wie der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident Jerzy Stepien voraus. Paul Flückiger

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