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Polen und Russland: Zwietracht und Versöhnung

Zwischen Polen und Russland herrscht wieder Streit – um eine Gedenktafel. Die beiden Präsidenten suchen jedoch die Verständigung.

Der polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski hat am Montag Russland besucht, um bei Smolensk der Opfer des Absturzes der Präsidentenmaschine vor einem Jahr sowie der vor 71 Jahren von den Sowjets ermordeten Polen zu gedenken. Erstmals nahm auch der russische Präsident Dimitri Medwedew an dem letzten Programmpunkt teil. Jahrelang hatte die Sowjetunion und später auch Russland die Ermordung von rund 20 000 polnischen Offizieren, Polizisten und Intellektuellen in Katyn den Nazis in die Schuhe geschoben. Zu einem Durchbruch war es bereits 2010 gekommen, als Ministerpräsident Wladimir Putin und Polens Premier Donald Tusk das Gräberfeld von Katyn bei Smolensk gemeinsam aufsuchten. Die Aufarbeitung Katyns ist seit Jahren das größte Problem zwischen Warschau und Moskau. Erst die Abwahl der Regierung Jaroslaw Kaczynskis vor fünf Jahren brachte Entspannung.

Diese wurde jedoch am Wochenende gestört, als sich in Polen die Kunde verbreitete, die Gebietsverwaltung von Smolensk habe eine Gedenktafel für die Absturzopfer von Smolensk ausgewechselt. In der neuen zweisprachigen Tafel fehlt Kaczynskis Reisegrund, nämlich der Verweis auf den Massenmord von Katyn. In Warschau ist man überzeugt, dass die Anweisung direkt aus dem Kreml kam. „Der Präsident sollte seine Russlandreise absagen“, forderte der Oppositionspolitiker Pawel Kowal, ein langjähriger Parteigänger der Kaczynski-Zwillinge. Komorowski allerdings machte wie so oft gute Miene zum bösen Spiel und flog am Montagmorgen wie geplant nach Moskau, von wo er mit dem Auto ins vier Stunden entfernte Smolensk reiste. Der dortige Flughafen gilt seit dem Absturz Kaczynskis in Polen als äußerst unsicher. Warschau setzt zwei Monate vor der Übernahme der EU-Präsidentschaft alles daran, sich als weltgewandte Verhandlungsmacht zu präsentieren, die sich auch mit dem jahrhundertlangen Erzfeind Russland einigen kann.

Tatsächlich gelang in Smolensk ein Kompromiss: Komorowski und Medwedew verständigten sich auf eine neue – diesmal gemeinsam ausgearbeitete – zweisprachige Gedenktafel. Dann legten sie auf dem Flugplatz je einen Kranz unter jene Birke, die Kaczynskis Präsidentenmaschine vor Jahresfrist Sekundenbruchteile vor dem Absturz als erste gestreift haben soll. Am frühen Abend legten die beiden im Beisein von über 200 mit dem Zug angereisten Angehörigen der vor 71 Jahren ermordeten Offiziere im nahen Katyn weitere Blumengebinde nieder.

Die Kontroverse um die abmontierte Gedenktafel verleiht derweil den Kaczynski-Anhängern neuen Auftrieb. Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski hat den Vorfall in Russland mit scharfen Worten gegeißelt. Die liberale Regierung und Amtsinhaber Komorowski seien daran schuld, giftete er. „Mein Bruder kämpfte für Polen, vielleicht musste er deshalb sterben“, sagte Kaczynski. Viele seiner Anhänger sind überzeugt, dass Lech Kaczynski in Smolensk einem Attentat zum Opfer fiel.

Eine Gruppe besonders treuer Kaczynski-Anhänger besetzte in der Nacht zu Montag den Bürgersteig vor dem Präsidentenpalast mit Zelten. Die patriotische Bürgerinitiative „Solidarni2010“ fordert den Rücktritt Tusks sowie dreier Minister, eine internationale Untersuchungskommission zum Flugzeugcrash sowie die Exhumierung der nach Polen übergeführten Absturzopfer. „Wir bleiben, bis wir mit Gewalt vertrieben werden“, sagten sie.

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