zum Hauptinhalt

Politik: Polenz muss gehen: Angela Merkel will ankommen

Ein Generalsekretär kann drei Funktionen haben: Die des Wadenbeißers, der den politischen Gegner attackiert; die des Managers, der dafür sorgt, dass alles reibungslos läuft, und die des Vordenkers, der inhaltliche Debatten vorantreibt. Kaum einer kann all dies auf einmal, aber Ruprecht Polenz, der anständige, aufrechte Westfale, konnte von all dem nicht gerade viel.

Ein Generalsekretär kann drei Funktionen haben: Die des Wadenbeißers, der den politischen Gegner attackiert; die des Managers, der dafür sorgt, dass alles reibungslos läuft, und die des Vordenkers, der inhaltliche Debatten vorantreibt. Kaum einer kann all dies auf einmal, aber Ruprecht Polenz, der anständige, aufrechte Westfale, konnte von all dem nicht gerade viel. Das ist auf die Dauer zu wenig. Insofern überraschte der Zeitpunkt seines Rückzugs, nicht der Rückzug selbst.

Angela Merkel hatte Ruprecht Polenz selbst zum Generalsekretär gemacht. Er war zwar seinerzeit erst ihre dritte Wahl, aber dennoch ihre Wahl. Seine Berufung stellt Merkels erste größere Fehlentscheidung dar. Wobei sie bestreitet, dass es eine Fehlentscheidung war, und zwar mit kuriosen Argument, damals - vor sechs Monaten - sei er der richtige Mann gewesen, heute aber nicht mehr. Denn damals sei es um Konsolidierung gegangen, heute gehe es um Angriff. Wenn nun das die neue politische Kultur sein soll, also rasches Auswechseln je nach Spielstand, dann könnte man auch Wolfgang Schäuble wieder zum CDU-Vorsitzenden machen. Denn Schäuble musste wegen der Spendenaffäre gehen, die heute weitgehend vergessen ist.

Aber wichtiger ist, wie es zu dieser Fehlentscheidung kommen konnte. Misstrauen gehört zu den ausgeprägtesten Eigenschaften vieler Spitzenpolitiker. Sie bevorzugen in ihrem engeren Umfeld Menschen mit großer, manchmal übergroßer Loyalität. Und oft genügt nicht einmal das. Sie suchen sich Leute aus, die ihnen nicht nur nichts wollen, sondern ihnen auch nie übel mitspielen können, weil sie dafür einfach zu schwach sind. Das spielte womöglich auch bei der Entscheidung für Polenz eine Rolle.

Der neue Mann heißt Laurenz Meyer. Dass er loyal ist, hat er bewiesen, als der erklärte Rüttgers-Gegner sich in Nordrhein-Westfalen an sein Versprechen hielt, dem Kontrahenten kampflos die Fraktionsspitze zu überlassen. Allerdings hat sich Merkel mit dem in der NRW-CDU populären Meyer einen deutlich stärkeren Mann an die Seite geholt, als Polenz es war. Sie hat deshalb nicht ihr Misstrauen verloren - sie fühlt sich inzwischen nur stärker. Genauer: Sie ist in der heutigen CDU-Führung die am wenigsten Schwache. Merz ist angeschlagen, Kohl ist reintegriert, Schäuble an den Rand gedrängt und Koch noch immer mit der Affäre belastet.

Meyers Nominierung zeigt noch aus einem anderen Grund das große Selbstbewusstsein der Vorsitzenden: Sie ist ein innerparteiliches Offensivsignal. Zum einen gegenüber ihrem alten Gegner Rüttgers. Meyer wird künftig Angriffe aus dem mitgliederstärksten Landesverband der CDU unterlaufen können. Zum anderen gegenüber Merz. Denn der hält sich zurzeit in seiner Fraktion dadurch, dass er aus NRW stammt und aggressiv nach außen austeilt. Künftig kann man auch dazu auf Meyer verweisen.

Er könnte im Adenauer-Haus im Übrigen freier gestalten, wenn - ja, wenn Angela Merkel die Fraktionsführung übernähme. Dass sie das will, lässt sich nicht mehr ausschließen. In den letzten zwei Jahren hat sie alles gewollt und alles bekommen, was ihr erreichbar schien. Merkel wird Merz nicht stürzen, natürlich nicht. Sie wird nur warten. Auch Warten kann offensiv sein. Kalkuliertes Warten - das ist die Methode Merkel.

Und Laurenz Meyer? Er kann nicht zugleich in Waden beißen, wie Franz Müntefering das Parteigetriebe managen und, nach Art von Heiner Geißler, den Diskurs vorantreiben. Seine bisherige politische Vita spricht dafür, dass er vor allem eine Funktion ausfüllen wird: die des Angreifers, der Speerspitze. Offenkundig empfindet Angela Merkel die inhaltliche Schwäche der Union als geringes Problem. Sonst hätte sie nicht wieder eine Gelegenheit verstreichen lassen, einen Vordenker zu installieren. Rein machtpolitische Erwägungen scheinen den Ausschlag gegeben zu haben.

Seit zehn Jahren macht sie nun Politik. Und nun hat sie einen eigenen Stil herausgebildet. Merkel kann mindestens so gut warten wie Helmut Kohl und legt sich noch weniger auf Inhalte fest als Gerhard Schröder. Nach zehn Jahren Politik also ist Angela Merkel, der man so lange einen eigenen unverbildeten Stil nachgesagt hat, angekommen. Mitten im Leben? Nein, mitten in der Politik.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false